Das Marvel Cinematic Universe (MCU) hat einen langen Weg hinter sich. Die Zeiten in denen Iron Man und die Avengers Überraschungshits waren sind schon lange vorbei. Was Heutzutage den Markennamen trägt ist prädestiniert für einen Kinoerfolg. Wer nicht liefert wird eiskalt rasiert. Doch bisher scheinen Disney & Marvel ein feines Gespür für ihre Produktionen und Story- Arcs zu haben. Denn mittlerweile ist das Franchise zur erfolgreichste Filmreihe aller Zeiten aufgestiegen und lässt die Konkurrenz von DC vor Neid erblassen. Die erste Serie, die nun auf Disney+ ins MCU führt, trägt den Namen »Wandavision« und leitet zeitgleich die nächste Phase des Marvel Storykosmus ein. Das Superhelden Gespann aus Wanda & Vision soll den Grundstein für das lang erwarte Multiversum legen und schon mal die Vorfreude auf »Dr. Strange: Multiverse of Madness« anheizen.

Dabei fängt »Wandavision« so unvermittelt frisch an wie man es selten in der MCU- Filmpraxis erlebt hat. Denn als Zuschauer wird man Episodenhaft durch die Fernsehgeschichte gezogen und mit der facettenreichen Ära der Sitcom- Formate konfrontiert. Wer nach den Ereignissen von »Endgame« auf actionreichen Zündstoff gehofft hat, wird darum schnell verwundert seine Stirn runzeln. Denn die ersten Folgen zeigen sich im Stile einer 1950’s Sitcom und strapazieren wahrscheinlich viele junge Zuschauer mit seinem ungewöhnlichen 4:3 Bildformat in Schwarz-Weiß. Der ikonische Stil zeigt sich auch im Schauspiel, das vor Over-Acting und pointierten Gags nur so strotzt.

Unsere zwei Helden Wanda und Vision spielen sich mit Hingabe durch die 1950s – 1990s Sitcoms, inklusive all der wahnwitzigen Kulissen, gesellschaftlichen Privilegien und den klassischen Kostümen. Wenn Comics und Sitcoms verschmelzen ist das schon ein eigenartiges Bild. Trotzdem sorgt gerade dieser ungewöhnliche Ansatz dafür, dass man gespannt darauf wartet auf welch absurde Story- Szene all diese Ideen hinarbeiten. Denn scheinbar ist es Wanda, die diese heile Welt erschaffen hat, nachdem sie mit dem Mord an Vision nicht fertig wurde. Doch die Leittragenden sind weitgehend unschuldige Menschen, die in dieser vermeintlichen Idylle gefangen sind. Das erschafft einen nicht unwichtigen Handlungspunkt, der sich auch auf den Zuschauer überträgt.

Dieser Gewissenskonflikt der so beim Zuschauer entsteht sorgt für einige mitfühlende Momente und vermischt dadurch klassische Comedy mit tieftrauriger Melancholie, was wirklich einzigartig und gefühlsmäßig kaum vergleichbar ist. Generell erzeugen die Autoren dadurch eine sehr geschickt inszenierte Geschichte, die nahtlos den Film »Endgame« aufgreift und für das Storykonzept ausnutzt. Dabei sorgt man in jeder Episode auch für ordentlich Fanservice und reichlich Gesprächsstoff. Seien es Wanda’s spezielle Halloween Kostüme, der Auftritt ihres (Nicht-) MCU Bruders oder die Integration eines bekannten Marvel- Schurken.

Mit dem Fokus auf Wanda Maximoff alias »Scarlett Witch« und Vision wird die Geschichte umso spannender, je weiter sich die Lage zuspitzt. Der eigentliche Spaßfaktor, der so aufdringlich erscheint, wird immer wieder mit ernsten Szenen erweitert, in denen Wanda’s Trauer und Realitätsverlust so langsam Überhand nehmen. Es ist zu jederzeit spürbar wie die traumatischen Szenen in Age of Ultron und Endgame ihre zarte Seele stark verletzt haben.

Das zeigt sich vor allem auch durch das fantastische Schauspiel von Elizabeth Olsen, die wohl endlich ihre Paraderolle entdeckt hat. Ich persönlich fand ihre Arbeit schon in »Wind River« im Zusammenspiel mit Jeremy Renner sehr gut, doch was sie inzwischen im MCU darstellt ist einfach herausragend. Ihre Schauspiel Leistung ist in dieser Serie wirklich durchweg überragend und zeigt was für ein Talent schon immer in dieser jungen Frau geschlummert hat. Der plötzliche Wechsel von komödiantischen Over-Acting zu höchst emotionalen Schauspiel und die referenzierte Darstellung auf die Vorlagen war in jeder Folge phänomenal.

Selbst in schwachen Szenen hat ihr Schauspiel einiges aus der Geschichte herausgeholt und für ein Gefühlschaos gesorgt. Ich war tatsächlich lange nicht mehr so emotional von einer Figur berührt wie von Wanda Maximoff und all das ist einzig und allein Elizabeth Olsen geschuldet, die ihre Rolle hier beispiellos verkörpert. Und wenn ich mir so die sozialen Medien durchlese scheinen viele meine Meinung zu teilen. Ohne es vielleicht bewusst gewollt zu haben hat »WandaVision« die Figur der »Scarlett Witch« zur populärsten weiblichen Heldin (oder Antagonistin?) im MCU gemacht.

Die Frage ist darum wohl nicht mehr, ob sich die Fans »Dr. Strange 2« im Kino ansehen werden, sondern für WEN. Die Antwort dürfte nämlich inzwischen klar sein. Nicht wegen Benedict Cumberbatch, sondern wegen Elizabeth Olsen, und das ist eine wirklich bemerkenswerte Leistung. Doch bevor die Lobeshymnen nur auf die jüngste der Olsen Schwestern angestimmt werden, sollte man auch die Performance der übrigen Beteiligten erwähnen. Denn die Chemie zwischen Elizabeth Olsen und Paul Bettany ist einmalig und sollte noch einmal besondere Erwähnung finden.

Seine Darstellung des Vision ist exzellent und fügt sich perfekt ins positive Gesamtbild ein. Daneben zeigt aber auch Kathryn Hahn ein tolles Schauspiel, die hier nicht nur den Over-Acting Sitcom Part perfektioniert, sondern auch später beim “Big Reveal” vollends überzeugt. Was mir ebenso gut gefallen hat, war, dass in »Wandavision« auch vergessene MCU- Gesichter ihr Potenzial entfalten durften.

Dazu gehörte auch Darcy, die mit ihrer humorvollen, erfrischenden Art und dem intelligenten Handeln das genaue Gegenstück zum Superhelden Alltag bietet. Für mich der heimliche Star im Supporting Cast! Schön zu hören, dass man ihre Rolle nach Thor noch einmal wiederbelebt hat. Denn Kat Dannings war die optimale Ergänzung für das ansonsten ohnehin großartige Schauspiel- Ensemble.

Das Marvel Cinematic Universe hat zwar über die Jahre hinweg unterhaltsame Blockbuster geboten, zeigte sich aber nie als allzu mutig. Die Studios verließen sich stets auf die verlässliche Formel, mit der die großen Erfolge erzielt wurden. Das sorgte zwar für tolles Kino- Entertainment, aber auch für wenig Abwechslung. »The Winter Solider« war trotz seiner Glanzmomente nicht viel anders als »Civil War« oder »Iron Man 3«. Als Fan konnte man sich darum stets darauf verlassen ein gewohnt actionreiches Superhelden Epos mit interessanten Figuren und coolem Popcorn Kino zu erleben.

Darum sollte es niemanden verwundern, dass auch »WandaVision« irgendwann in dieselbe Kerbe fällt und zum Ende hin eine Materialschlacht mit bombastischen Superhelden Fähigkeiten inszeniert. Der Weg dorthin ist jedoch gespickt mit Einfallsreichtum und spielerischer Kreativität. Man verzichtet auf den klassischen Pathos, den ein »Captain America» oder »Falcon» etc. in die Geschichte bringen.

Stattdessen versucht man sich an einer intelligent geschriebenen Psycho- Studie, die man in der Form tatsächlich noch gar nicht im MCU- erleben durfte. Die extreme Detailversessenheit der Kostüm- und Maskenbilder, sowie die tollen Referenzen an Marvel Comics und traditionelle Sitcoms sind dabei ebenso einmalig. Die Serie überzeugt aber auch auf technischer Ebene und liefert CG-Effekte, die denen im Kino in Nichts nachstehen und dadurch ein hohes Serien- Niveau erreichen.

Schon The Mandalorian war ein Paradebeispiel dafür wie eine TV Serienproduktion Heutzutage aussehen kann. Der Story Komplex um Wanda Maximoff muss sich dahinter kaum verstecken. Schon deshalb, weil die einzelnen Epochen ausnahmslos gut eingefangen werden. Mit Analogen Multi-Kameras und einem Live- Publikum, dem Monochromen Schwarz/Weiß Szenen, Röhrenfernseher und dem 4:3 Bildformat fühlt sich der Sitcom- Abklatsch wie ein Konzept an, das genauso in der jeweiligen Zeit hätte produziert sein können.

Man schafft es sogar Unterschiede zwischen Oldschool und Modernisierung mithilfe der Kamera zu erzeugen. Findet z.B. etwas im Hex statt ist die Kameraführung und Fixierung eine gänzlich andere, wie in der Realität. Die stärkere Technik der Gegenwart mit schnelleren Kameraschwenks und Bewegungen steht der alten Filmtechnik gegenüber, bei der öfters mal stille Szenen zu beobachten sind oder sich die Kamera langsam dreht.

Die Kombination von Analog & CRT Stil mit originalgetreuer Pixelation & Bildflackern bzw. Störbildern in modernen CG- 3D Visuals sorgt für einen sehr individuellen Look & Feel. Es ist offensichtlich, dass sehr viel Arbeit und Gedanken in die Serie geflossen sind. Dass es die Visual Artists und Designer geschafft haben die zwei Techniken zu kombinieren und Schwarz-Weiß visuals mit überdramatischen MCU- Kämpfen des State-of-the-Art zu vermischen ist wirklich bemerkenswert.

Denn trotz der Unterschiede in ihrer Machart wirkt alles so schön fließend und natürlich ineinandergreifend. Ich könnte nun sicherlich noch über die negativen Seite der Medaille sprechen und so einige Ungereimtheiten anklagen. Warum z.B. die Auflösung von Ralph so dämlich war, weshalb man auf einen spannenden MCU- Cameo verzichtet hat und wieso die Serie trotz ihrer Komplexität eigentlich doch so wenig zu erzählen hat. Denn das größte Problem, das diese Serie besitzt, ist, dass vieles einfach keine Bewandtnis hat. Die meisten Easter Eggs oder Szenen die neugierig machen verlaufen letztendlich doch nur im Sand. Darum ist das Finale in geschichtlicher Hinsicht auch leicht enttäuschend. Das Wichtigste für mich ist aber, ob die Serie trotzdem begeistern kann und das kann sie auf voller Linie. Ich behaupte darum mal, dass jeder MCU- Fan, der heiß auf die neue Phase ist diese Serie nicht verpassen darf. Wanda’s Storyline hat Relevanz für das zukünftige MCU, ist emotional und wegweisend in ihrer visuellen Kreativität und zeigt welch gutes Casting die Marvel Studios wieder einmal bewerkstelligt haben.
FAZIT:
Emotionales und kreatives Meisterstück mit einer grandios aufspielenden Elizabeth Olsen!
WandaVision ist für mich wahrlich ein Meisterstück. Denn Disney & Marvel ist es gelungen eine Serie zu produzieren, die verschiedene Kernstücke der Comics nutzt, um sie mit den klassischen MCU- Kinofilm Elementen zu vermischen und auch visuell mit kreativer Verspieltheit zu überraschen. Die Serie hat meine Erwartungen übertroffen. Denn tatsächlich war ich nach den ersten Trailern fast gar nicht an der Produktion interessiert. Doch mit jeder neuen Episode fesselten mich die Twists, die Figuren und das großartige Schauspiel. Es gab zwar einige verpasste Möglichkeiten aus diesem Meisterstück auch ein Meisterwerk zu machen, doch die wenigen Letdowns hatten kaum eine Auswirkung auf meine Begeisterung für dieses ungewohnte Serienkonzept.
Overall amazing 9/10!
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