Ein wenig Teenie Drama, ein wenig 90s Slasher. Altbewehrtes neu.
Das sind die Elemente der Serien Umsetzung des Kult Horror’s Scream.
Alter Name, neues Gewand
Der Kult Slasher Scream aus dem Jahre 1996 gehört zu meinen absoluten Favoriten, hat aber mit fortlaufender Handlung mehr oder weniger gute Nachfolger erhalten. Natürlich war ich daher auch eher negativ eingestellt, als ich davon hörte, dass eine TV Serie in Auftrag gegeben werden sollte. Was mich dann als Fan noch mehr traf, war der Name des Auftraggebers. MTV. Dieser Musiksender, der in den letzten Jahren vermehrt RTL Niveau erreicht hat. Und wie soll MTV der Filmreihe überhaupt würdig werden, wenn auch noch ein neuer Cast und eine neue Maske alles verdrängen würde, was den Namen Scream ausmacht. Ein Reboot ohne jegliche Ähnlichkeiten zum Original. Für viele wohl ein No Go.
Da Kritik ohne Vorkenntnisse jedoch stets unfair ist, habe ich mir die Serie letztens Sommer dann doch einmal gegeben. Die erste Episode war zugegebenermaßen auch unerwartet gut und relativ unterhaltsam aufgebaut. Mit dem Einlenken einiger wichtiger Story Grundelemente haben die Produzenten hier direkt Potenzial für zukünftige Episoden geschaffen. Doch wovon handelt diese ominöse Fortsetzung ohne Bezug zum Original eigentlich?
Brendon James, der neue Mythos?
Nun, im kleinen friedlichen Ort Lakewood wird die Partynudel Nina zum Opfer eines brutalen Verbrechens, welches die Beamten schließlich vor ein Rätsel stellt. Mit diesem quasi Opening lernen wir dann unsere Heldin, Emma kennen, die von hieran Story bedingt Dreh und Angelpunkt der gesamten Serien darstellen soll. Denn wie zu erwarten bleibt es nicht bei einen einzigen Mord und weitere Teenager fallen dem Maskierten Mörder zum Opfer. Der maskierte Serienkiller hat es dabei überwiegend auf Emmas Freunde und Bekannte abgesehen und meldet sich in unregelmäßigen Abständen gerne mal bei Emma, um ihr wieder ein wenig das Fürchten zu lehren.
Die verstörenden und beängstigen Anrufe sorgen aber nicht dafür, dass Emma klein beigibt. Gemeinsam mit ein paar alten und auch neuen Freunden nimmt sie die Ermittlungen selbst in die Hand. Doch je mehr Informationen auftauchen, desto verwirrender wird die Angelegenheit, wodurch weitere Freunde in die Opfer- und mögliche Täterrolle rücken. Wem kann Emma noch trauen? Was will der Angreifer von ihr? Und welche Bedeutung hat der alte Brendon James Fall, in dem ihre Mutter in ihrer Jugend verwickelt wurde. Was hat es also mit dem Mythos auf sich?
Fragen über Fragen, die in der Serie teils gut, teils weniger durchdacht beleuchtet werden. Allerdings entstehen dabei stets neue Twists und Wendungen. Um Spoiler zu vermeiden, werde ich daher nun nicht weiter auf die Handlung eingehen, denn jede Info würde euch den Spaß an der Serie nehmen. Gerade dieses Verwirrspiel und die vielen gut erzeugten Wendungen sorgen für die Spannung und anhaltende Unterhaltung. Jede Episode konnte sich auch als wichtig für den Fortbestand der Handlung auszeichnen und war in sich gut ausgebaut. Nie kam es zu Atempausen oder Filter Episoden. Wenn man mal vom Teenie Beziehungs- Schmerz absieht, war die Scream in dieser Hinsicht sehr spannend erzählt.
Every Horror Character ever, aber sympathisch
Was mich persönlich sehr positiv überrascht hat, war, wie die Produzenten in einem, mit derart vielen Klischees, belegten Genre, bei mir so viele Sympathien für die Charaktere erwecken konnte. Obwohl eher dem Stereotyp des Slasher Baukastens entsprungen, haben sich einige doch soweit entwickelt, dass sie über den 08/15 Status der Horrorfilme hinausgingen. Seien es nun Noah, der Horrorfilm liebende Nerd, der eine Faszination für Serienkiller entwickelt, Audrey, die leicht aufbrausende Macho Braut oder Emma, das unschuldige und nette Mädchen von Nebenan. Das Haupt-Trio war hier perfekt abgestimmt.
Aber auch die Nebencharaktere abseits dieses Dreier-Gespanns waren wichtig für die Unterhaltung. So beispielsweise Brooke, die für mich persönlich, neben Noah den heimlichen Star und Survivor der Handlung darstellte. Anfangs dargestellt als Partygöre und simples Sexobjekt, hat sich Brooke, gespielt von Carlson Young für mich charakterlich am stärksten entwickelt und mehr von ihrer eigentlichen Persönlichkeit preisgegeben, die gar nicht so sehr dem Partygöre Säuferbraut Typus entsprach, weshalb sie zusammen mit Noah bei mir die meisten Symphatiepunkte sammeln konnte.
OC California meets 90’s Slasher
An diesem Punkt sei erwähnt, dass Noah den, von den Autoren, am intelligentesten eingebauten Charakter darstellte. Denn Noah, als Horrorfilm Fachkundiger kennt die Regeln eines jeden Horrorfilms und weiß die bedrohlichen Situationen einzuschätzen. Die Gruppe trennen? Nicht mit Noah. Alleine dem Killer folgen? Blöde Idee. Die Autoren haben erkannt was für einen Horrorfilm grundlegend wichtig ist, wenn dieses Format als Serie funktionieren soll. Es müssen Charaktere her, die dem Publikum nicht komplett egal sind und mit denen der klassische TV Zuschauer mitfiebert. In einem Horrorfilm, der eine Laufzeit von 90 min besitzt, braucht es keine Sympathieträger. Ein Slasher hat seine eigenen Regeln. Als Serien- Plot über mehrere Episoden a 40 Minuten verteilt, reicht die Atmosphäre und die Aufklärung des Mörders dagegen nicht aus. Man muss Bezugspersonen haben, die durch die Serie leiten, was den Autoren wiederum gut geglückt ist.
Ich denke es war auch weitestgehend das erste Mal, dass ich mich bei einem Teenie Horror mit den Charakteren identifizieren, mit ihnen sympathisieren und sogar Favoriten ausmachen konnte. Vielleicht waren hierfür auch die Teenie Drama Elemente entscheidend. Auch wenn derlei Storys bekannt sind und stets demselben Ablauf folgen, können so auch Charaktere platziert werden und die Geschichte mit kleinen augenzwinkernden Popkulturellen Anspielungen als Gesamtwerk funktionieren. Bereits OC: California wusste dies für seine Zwecke auszunutzen.
Typisch Horrorfilm
Die Scream TV Serie mag nicht durchgehend dieselbe Erzählstärke aufweisen und lockt mit nicht vollendeten oder durchdachten Story- Strängen , hat aber seine Momente, die zum Weitersehen bewegen. Mit dem Fokus auf die Charaktere, deren Beziehungen, Probleme und Ängste, hat MTV wohl bekanntes Teenie Drama integriert, sorgt aber somit dafür, dass man den Charakteren näher kommt und sie greifbar werden. Besonders gut gelungen ist es den Autoren dabei, zeitweise offen zu halten jede einzelne Persona als potenziellen Killer zu positionieren. Jeder der Teenager könnte der Killer sein und birgt genügend Geheimnisse, die er verbergen möchte. Die Spannung, die hierdurch aufgebaut wird, ist wirklich gelungen. Fraglich ist nur warum die Polizei wieder als Deppen der Nation vorgeführt werden.
Selbst die Teenager sind teilweise intelligent genug, um Hinweise zu deuten, die der Polizei entgangen sind. Aber so ist das eben beim klassischen Horrorkino. Muss ja nicht immer alles glaubwürdig sein. Hauptsache der Nervenkitzel stimmt.
Was vielleicht einige im Vorfeld auch bereits genervt hat, war sicherlich die Ankündigung einer weiteren Staffel. Denn so etwas deutet zwangsweise darauf hin, dass der Killer nicht entlarvt wird. Die Autoren haben hier aber einen sehr schlüssigen Weg gefunden, damit dies nicht der Fall ist. Ihr als Zuschauer erhaltet zum Staffelfinale die erhoffte Demaskierung von Ghostface, was aber leider etwas arg vorhersehbar wirkte. Ungewöhnlich für die ansonsten gute Serie, denn bis dahin konnte der Teenie Thriller mit vielen Wendungen und gutem Storytelling überzeugen. Die letzte Episode als Staffel- Finale getarnt, unterbot somit die Erwartungen.
Deutsche Bearbeitung
Nachdem ich mir Scream bereits im vergangenen Sommer in der Originalfassung reingezogen habe, habe ich mich für diese Review auch noch einmal an die lokalisierte Version für den hiesigen Markt getraut. Seit Ende des vergangenen Jahres läuft die Serie nun Exklusiv und in deutscher Sprache auf dem Streaming Dienst Netflix. Diese werden daher wohl auch die Synchronisation gestemmt haben, was eher mittelmäßig geglückt ist. Teilweise wirken Dialoge sehr holprig und Charaktere wirken fehlbesetzt. Die Spannung und Atmosphäre bringen leider nicht alle Sprecher so gekonnt auf die TV Bildschirme. Ein Lichtblick sind hierbei die Synchronsprecherinnen von Emma und Audrey, die hier tadellos vertonen und den restlichen Cast teilweise mitziehen.
Auch Konrad Bösherz liefert wieder eine gekonnte Performance ab, wirkt aber stimmlich nicht wirklich passend für seinen Charakter ausgewählt. Insgesamt geht die Vertonung zwar vollkommen in Ordnung, einen Award wird die Synchronisation aber wohl nicht erhalten. Dafür wirken vor allem die Dialoge nicht weich genug. Wer also des Englischen mächtig ist, kann hier wohl lieber mal in das Original hinein schnuppern. Anders weitig müsst ihr mit der Mittelprächtigen Synchro leben, die zwar mit einigen guten Sprechern punktet, aber gleichzeitig auch Fehlbesetzungen und mittelmäßige Dialoge bereithält.
Fazit
Ich muss sagen, dass ich von der TV Adaption teilweise sehr begeistert war, aber auch so ehrlich bin und sage, dass das Finale nicht unbedingt das Niveau halten konnte. Es war gut und hat auch ein passendes und logisches Finale hervorgebracht, aber insgesamt war die Auflösung viel zu nah an das Ende gedrängt und bot wenig Spannung. Man hätte Emmas Aufeinandertreffen mit dem Mörder ein wenig stärker schreiben können. Nichtsdestotrotz empfand ich die Serie jedoch als sehr sehenswert, mit cleveren Wendungen und einer insgesamt spannenden Handlung. Ich warte nun gebannt auf die Fortsetzung und hoffe, dass Noah dort noch einmal mehr in den Vordergrund gerückt wird. Seine Dialoge und Monologe waren für mich immer die Highlights.
Die Serie Adaption ist repräsentativ für das was Scream damals ausgemacht hat – Aktualität und Zeitgeist.