Until Dawn war 2015 ein echter Überraschungshit auf Konsolen. Denn ohne große Umschweife erzählte man eine klassische Teenager Horrorgeschichte, wie es sie früher Zuhauf in der Kinolandschaft gab. Nachdem man sich dann zwischenzeitlich mit der »The Dark Pictures« Trilogie ein wenig verrannt hatte, will man sich mit »The Quarry« nun wieder auf alte Stärken konzentrieren.
Diesen Ansatz bemerkt man als Spieler schon früh im Prolog, der sich als erschreckend gutes Horrorfilmchen entpuppt und den Grundstein für die folgenden Spielstunden legt. Der Einstieg ist wirklich gelungen und lässt besonders als Horrorfan alter Schule aufhorchen. Gänsehaut pur! Doch schon kurz darauf lässt sich die Geschichte etwas drosseln und das Erzähltempo wird überdeutlich angezogen. Schließlich sollen uns die neuen Helden des Abenteuers bestmöglich vorgestellt werden.

Wir befinden uns darum am Ende des Sommers und beobachten wie eine Gruppe an Jugendleitern gerade ihre Kids aus dem Feriencamp »Hackett’s Quarry« verabschieden. Für die jugendliche Erziehergruppe bedeutet das auch sogleich die Trennung von neu gefundenen Freundschaften und Romanzen. Der Sportler Jacob hat z.B. gerade mit starken Liebeskummer zu kämpfen und wird darum von seiner Kindheitsfreundin Kaitlyn aufgezogen, während seiner Sommerflirt Emma auf coole Influencerin macht und die Künstlerin Abigail zu einem Flirtversuch mit Nick zu überreden versucht. Für Dylan Anlass sich über seine neu gewonnen Freunde lustig zu machen und sich zu erkundigen, was wohl der fünfte im Bunde (Ryan) gerade so treibt. Spoilerwarnung; Er ist begeisterter Hörer eines Podcasts über mysteriöse Phänomene in den Wäldern Hackett’s Quarry’s. Das kann ja nur der Wahrheit entsprechen, oder?
Die Jugendlichen werden uns also frühstmöglich als stereotypische Horrorfiguren präsentiert, was perfekt zur Oldschool Ausrichtung des interaktiven Horrorfilms passt. Dass die Jugendleiter eine Nacht voller Gräueltaten, Überlebenschaos und Angstzuständen erwartet dürfte spätestens dann klar sein, als sich David Arquette als Ferienlager-Chef unerwartet aus dem Staub macht und die Clique sich in Partylaune spontan ans Lagerfeuer setzt.
Bis dahin ist die Geschichte noch ziemlich gewöhnlich und spielt sich ausschließlich im sonnigen Ferienlager ab, was natürlich wenig Horror-Atmosphäre aufkommen lässt. Doch so langsam sich das Erzähtempo zeigt so schnell überzeugt das Spiel auch in seiner plötzlichen Wendung.

Im Kern ist »The Quarry« damit wieder ein Paradebeispiel an klassischer Sommercamp Story. Wer sich zuletzt im Filmbereich umgesehen hat dürfte vielleicht auf die »Fear Street« Trilogie gestoßen sein, die mit »Part 2: 1978« in eine ähnlich Richtung geht und versucht den Flair früherer 80’s Filme einzufangen. Das gelang dort auch außerordentlich gut, da man sich anfangs doch beträchtlich viel Zeit für seine Figuren nahm. Ähnlich verhält es sich nun mit »The Quarry«. Denn obwohl uns die Charaktere als einfältige Horrorfiguren begegnen steckt doch mehr in ihren Charakterzügen. Die Clique verhält sich tatsächlich auch recht glaubwürdig in dieser schier aussichtslosen Lage und bringt zum Teil auch interessante Facetten bei ihren Persönlichkeiten zu Tage.
Als Zuschauer/Spieler entwickelt man zeitweise echte Emotionen beim Rettungsversuch einzelner Personen, was so nicht unbedingt zu erwarten war. Schließlich war es vor allem der Mangel an Sympathieträgern, der »Men of Medan« und »Little Hope« zuletzt etwas auf der Strecke liegen ließ.
Für die wirklich gute Grundstimmung der Geschichte sorgen aber auch die auf 80’s Horrorfilme getrimmten Dialogszenen, die man in gewissen Zügen auch als Referenzen verstehen kann. Der interaktive Horrorfilm gibt sich zwar wieder schön im trashigen B-Movie Stil, hat damit aber mehr Substanz, als man denken könnte. Ich ziehe auch hier gerne noch einmal den Vergleich mit »Fear Street: 1978«, das ebenfalls mit seinen Figuren und der cleveren Erzählweise überraschte.
Dass »The Quarry« sicherlich keinen Story-Award wie »The Last of Us II« gewinnt, dürfte jedem Spieler klar sein. Doch letztlich überzeugt das Gesamtpaket und der Rahmen der Geschichte, was in solchen gescripteten Adventures enorm wichtig ist. Bleibt die Frage wie es sich spielerisch verhält. Schließlich gab’s auch dort zuletzt Stillstand und technische Schwierigkeiten.

Hier kann man größtenteils Entwarnung geben. Auch wenn sich spielerisch in den Grundzügen wenig getan hat, sieht’s zumindest in Sachen Technik und “Polishing“ des Gameplay ganz ordentlich aus. Wie schon »Until Dawn« und »The Dark Pictures« ist auch »The Quarry« ein interaktiver Spielfilm, der mit filmreifen Szenen und kurzweiligen Aktivitäten lockt. So lassen sich wieder die typischen Quick Time Events und klassischen Aufgaben wie “Begutachte das Objekt” im Spielverlauf finden. Wird’s mal brenzlich schickt euch das Spiel in hartnäckige Entscheidungsszenen, die den restlichen Spielverlauf diktieren. Das sorgt für Spannung und Interesse an einem zweiten Durchlauf.
Blitzschnell müsst ihr auf Aktionen reagieren, QTE’s überstehen oder in Dialogen die richtige Wahl treffen, um ja niemanden vor den Kopf zu stoßen oder die falsche Handlung zu tätigen. Als Spieler der früheren Werke von Supermassive Games wird schnell eine wichtige Änderung im Gameplay auffallen. Die Quick Time Events haben ein weitaus besseres Timing und werden nicht durch Nachladeruckler gestört. Zudem sind sie nun auf die Analogsticks bzw. Mausrichtungen ausgelegt.
War es in früheren Spielen noch ein glücklicher Move, wenn man tatsächlich die richtige Controller-Taste in gefühlt einer Sekunde geschafft hatte, ist die Zeitspanne nun deutlich größer ausgelegt und die Aktionstasten besser zu kontrollieren. Das sorgt zwar auch indirekt dafür, dass die Quick Time Events nun schon fast Kinderleicht sind und man darum nicht mehr ruckartig reagieren muss, aber es ist spielerisch eben auch deutlich angenehmer. Das ziehe ich als Filmfan tatsächlich vor.

Da kann der Gamer in mir gerne murren und kritisieren, aber für das Filmerlebnis ist die Neuausrichtung die bessere Entscheidung gewesen. Seid ihr dagegen mal nicht in “Semi-” hektischen Aufgaben unterwegs, dürft ihr die Umgebung erkunden und Objekte aufheben. Manches dafür ist spielrelevant, anderes einfach nur kosmetisches im Leveldesign. Beim Absuchen der Gegend lassen sich Hinweise auf die Vergangenheit des Camps finden, sowie auch unterschiedliche Tarotkarten, die in gewisser Weise die Totems aus Until Dawn ersetzen und eine potenziell falsche Entscheidung verhindert.
Die Entwickler haben inzwischen in jedem Spiel einen anderen Weg gefunden dieses Spielkonzept sinnvoll unterzubringen und das gelingt auch in »The Quarry« wieder ausgezeichnet. Die Vorhersagen bieten nur so viel Spielraum, dass man halbwegs eine Richtung einschlagen kann, aber es vielleicht auch mal fehlinterpretiert.
»The Quarry« ist ansonsten spielerisch eigentlich »Until Dawn 2.0«, was sich in fast denselben Plus- und Minuspunkten auszeichnet. Soll heißen, auch in diesem Spiel werdet ihr mit einer recht hakeligen Steuerung und einer statischen Kamera konfrontiert.
Zudem lassen sich Objekte nur sehr langsam anheben und werden gerne mal versehentlich mehrmals angeklickt. Auch vereinzelte Bildruckler sind wieder mit von der Partie, was wirklich ungewöhnlich ist. Ob man das irgendwann mal in Griff kriegen wird, steht wohl auf einer anderen Seite. Dafür ist das Spiel aber auch wieder eine Liebeserklärung an den klassischen Ferienlager- Horror mit toller Atmosphäre, wendungsreicher Handlung, aufwendigen Gruseleffekten und überraschend gut geschriebenen Figuren.
Sieht man über etwaige Logiklücken hinweg ist auch die Geschichte wirklich gut gelungen. Ein Pluspunkt sind sicherlich auch wieder die vielen bekannten Schauspieler, die sich in »The Quarry« finden lassen. Waren es in »Until Dawn« noch Hayden Panettiere und Rami Malek, die sich durch die verschneiten Wälder kämpfen musste, sind es nun Ariel Winter, Halston Sage oder auch Justice Smith (Der Typ aus Detektiv Pikachu), die versuchen das Ferienlager zu überleben.
Dazu kommt noch ein David Aquette, den wohl jeder Horrorfilm Fan bestens kennen sollte. Schließlich war er auch erst kürzlich wieder als Officer Dewy im fünften Scream dabei.

Jetzt müsste man sich nur noch mal irgendwann eine Neve Campbel ins Boot holen und schnurstracks einen interaktiven Scream Film abliefern. Na, liebe Entwickler, ist das keine geile Idee? Übrigens würde das auch für einen Filmabend mit Familie oder Freunden perfekt sein. Schließlich bietet das Spiel ein paar interessante Modi wie z.B. den Filmmodus, der alle überflüssigen Gameplay Mechaniken entfernt und euch das Adventure als klassischen Film erleben lässt.
Das Spiel selbst habe ich auf einem PC mit einer RTX 3080 getestet, wo es in hohen Auflösungen sehr schön flüssig lief und auch eine schicke Grafik aufweist. Visuell richtet man sich bewusst an frühere Horrorfilme und inszeniert das Geschehen auch teils mit VHS- Video Effekten und Einblendungen.

Auch Texte und Logos wirken wie aus der Zeit gefallen, was als positiver Aspekt zu verstehen ist. Wirklich cool sind in diesem Sinne auch die winzigen Kurzfilme, die sich über das gesamte Abenteuer versteckt haben und als klassische Zeichentrick Filme inszeniert werden. Der schwarze Humor und die Ideen in den Storyschnipseln sorgen für eine erstklassige Ergänzung und dienen sogleich auch einem Zweck: Als Tutorial.
Was auf technischer Seite auffällt sind die verbesserten Motion-Capture Aufnahmen, die zu natürlicheren Bewegungen und authentischeren Gesichtszügen führen.
Der Fokus auf Charakter- Animation bzw. die Digitalisierung der Schauspieler stand definitiv an erster Stelle. Schade nur, dass die Mundwinkel und Zähne in bestimmten Situation so urkomisch ausschauen.
Sobald eine Figur enttäuscht ist oder ein gekünsteltes Lächeln aufsetzt ist das schon fast mehr Horror als die eigentliche Geschichte.

Wir begeben uns hier weit ins Uncanny Valles. Das sind echt Jumpscares! Abseits davon fallen besonders die verbesserten Licht- und Schatteneffekte und Reflektionen auf, die dem Spiel einen realistischeren Look verleihen. Auch die gewählten Farbtöne sowie der 21:9 Bildausschnitt sorgen für einen sehr filmischen Kinocharakter. Auf Raytracing scheint man derweil vorerst nicht eingestellt zu sein. Dafür sorgen Filmeffekte wie das Depth-of-Field und verschiedene Filmstilmittel für ein wirklich ansprechendes Filmerlebnis. Man hat aus der Grafikengine viel herausgeholt und die Szenen mit schnellen Kameraschnitten und starken Bildausschnitten sehr cineastisch inszeniert. Würde man sich das Spiel aus gewisser Entfernung anschauen könnte man das Spiel wohlmöglich wirklich für einen Film halten. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass doch recht hohe Ansprüche an die Hardware gestellt werden.
Mit meiner RTX 3080 hatte ich zwar nirgends Probleme und konnte in hohe Bildraten gehen, aber soweit ich mich erinnere waren im Menü keine Sampling Methoden wählbar.
Das viel genutzte DLSS von Nvidia ist also bislang nicht Teil der Grafikeinstellungen, wodurch sicherlich mancher Spieler bei Anti-Aliasing und Co. herumspielen muss, damit er das Spiel flüssig genug erleben kann.
Abgesehen von einzelnen Nachladerucklern in Szenewechseln lief das Spiel recht fehlerlos. Auch die musikalische Umsetzung war dieses Mal unglaublich gut. Der Soundtrack hat teilweise wirklich Ohrwurm-Charakter. Insgesamt hat mich die Technik darum mehr überzeugt, als die Vorgängerspiele des Studios.
FAZIT:
The Quarry» belebt den interaktiven Horrormarkt natürlich nicht unbedingt neu, liefert aber in der Summe einen gut geschriebenen Horrorausflug, der sich bewusst an frühere Filmklassiker orientiert. Das Konzept, dass Supermassive Games seit »Until Dawn« verfolgt, funktioniert in seinem geschlossenen System und zeigt sich endlich wieder von seiner besten Seite. Wer also Lust auf ein leichte Jumpscares hat oder sich als Kenner der Horrorszene fühlt, sollte sich auch diesen filmischen Spielansatz nicht entgehen lassen. Spielerisch sicherlich meist Mau, aber als interaktiver Filmabend (auch mit Freunden) eine gelungene Erfahrung!
Bildmaterial: ©2022 2K Games / Supermassive Games | The Quarry
Vielen herzlichen Dank an 2K Games und GaertnerPR für die freundliche Bereitstellung des Download Codes von
The Quarry für Steam:)