Die schaurige Horror-Saga der Until Dawn Entwickler geht in die nächste Runde. Nach dem Ausflug in die weiten des Ozeans, sperrt euch das Spiel jetzt in ein verrücktes Geisterdorf. Ob dabei gruseliges Entertainment geboten wird, das erfahrt ihr im Test…

In diesem Dorf gibt’s keine Hoffnung!

Seitdem American Horror Story mit inhaltlich unabhängigen Kurzgeschichten große Erfolge feiern konnte, ziehen Anthologie Serien nicht nur im Fernsehen. Auch so manches Entwicklerstudio versucht sich an der Formel. Dazu gehören auch Supermassive Games, die einst mit Until Dawn einen Überraschungshit im Horror-Spielemarkt lieferten.

Unter der Bezeichnung “The Dark Pictures” folgt nach dem guten Men of Medan Einstand nun schon der Nachfolger mit dem Untertitel “Little Hope”. Auch hier verschlägt es wieder eine kleine Gruppe in eine gruselige Geschichte um Geister, historische Ereignisse und übernatürliche Phänomene. Während euch Men of Medan hierbei noch in die Weiten des Meeres entführte, spielt das neuerliche Geschehe im titelgebenden Dorf und zeigt wieder einmal wie interessante Geschichten ein spielerische eher mittelmäßiges Erlebnis führen können. Aufbauend auf der Hexenverfolgung in Salem dient dieser merkwürdige Ort als Verbindungsstück zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Darum übernehmt ihr hier in der heutigen Zeit die Rolle verschiedener Figuren, die scheinbar Nachfahren einiger Schlüsselfiguren vergangener Ereignisse im Dorf sind. Die Studentengruppe, die eigentlich nur mit ihrem Lehrer einen Ausflug geplant hat, landet unweigerlich in dieser verlassenden Gegend. Nach Hilfe suchend geraten sie in den Sog des verwunschenen Ortes und erleben hautnah die grausigen Ereignisse der frühen Hexenverfolgung. Im Gegensatz zu seinem Namen hält Little Hope jedoch keinerlei Hoffnung für die Reisenden bereit. Stattdessen gerät die Gruppe schnell in eine hanebüchene Handlung um Mythen und übernatürliche Wesen.

Welche Entscheidung wirst du treffen?

Spielerisch orientieren sich die Entwickler natürlich wieder stark an ihrer Blaupause, die sie mit Until Dawn auf der Playstation 4 erschaffen haben. Soll heißen, ihr schlüpft abwechselnd in die Haut eines der Studenten und führt diese durch eine gruselige Umgebung.

Das altbewährte Spielprinzip, das auch schon in zahlreichen anderen Adventures wie Detroit Become Human oder Life is Strange genutzt wurde, funktioniert auch hier für die Erzählung sehr gut. Auch wenn man durch die filmische Inszenierung natürlich stark die spielerischen Komponente einschränkt. Es erwarten euch also wieder etliche Dialogszenen, Sammelgegenstände und die wenig beliebten Quick-Time Events. Jedoch hat man die QTE’s inzwischen stark vereinfacht und verlangt eigentlich kein bestimmtes Timing mehr für die Aufgaben.

Das ist spielerisch sicherlich ziemlich langweilig, aber kommt der guten Atmosphäre mitsamt seiner Inszenierung sehr entgegen. Zusätzlich erhaltet ihr noch die Möglichkeit euch mit euren Antworten für eine Richtung zu entscheiden und so das Überleben der Spielfiguren zu beeinflussen. Die jeweilige Antwort oder Entscheidung sorgt dann entweder für die Veränderung der Beziehung zwischen den Figuren oder ändert den Verlauf der Story. Inwieweit hier die Abweichungen sind lässt sich aber schwer beurteilen. Die Entwickler prahlen zwar wie so oft mit zahlreichen Ereignisänderungen, doch für ein sicheres Urteil muss man das Adventure wohl öfters durchspielen und genauestens überlegen wann man welche Wahl wie anders treffen kann.

Ein wiederkehrendes Spielelement der Anthologie Saga sind die Vorhersehungen, die euch einen kurzen Überblick über mögliche Ereignisse geben. Waren es in Until Dawn noch die Totems, mit denen ihr eure Entscheidungen überdenken konntet, hielt man sich bei Men of Medan an altertümlichen Gemälde fest. In Little Hope nutzt man nun stattdessen öfters Bilder oder Zeichnungen, um Hinweise zu liefern. Ob eure Charaktere also überleben hängt grundsätzlich auch davon ab, wie gekonnt ihr die Bildabfolgen interpretieren könnt. Das Entwicklerstudio hat hierzu auch sehr breitgefächertes Wahlrad, das die jeweiligen Richtungswechsel bzw. Kurse vorgibt.

Das übrige Gameplay basiert weiterhin auf den gewohnten Ideen, die schon seit Jahren in Interactive Movies genutzt wird. Das Spiel bleibt von der Mechanik also ziemlich flach, ermöglicht so aber ein sehr kinoreifes Erlebnis. Ihr sucht also nach Hinweisen, interagiert leicht mit der Umgebung und untersucht etwaige Objekte, die aber für das Spielgeschehen selten Auswirkungen haben. Auch die Sichtweite ist etwas eingeschränkter, da zumeist mit recht verwinkelten und fixen Kamerawinkeln gearbeitet wird. Dafür schafft man es so durch die gelungene Umsetzung eine dichte Atmosphäre zu kreieren, da man mit der Kamera die Sicht des Spielers auf das wesentliche richten kann. Jump Scares & Co. lassen sich so besser einarbeiten.

Die Oberzicke Taylor im Hexenmythos!

Gruselige Geschichten in eine interaktive Handlung einzubinden, kann eine immense Herausforderung sein. Denn sobald ihr als Spieler die Freiheit erhaltet eure eigenen Wege zu gehen, kann ungewollt auch mal stark die Atmosphäre und Spannung darunter leiden. Doch Supermassive Games scheinen ein gutes Gefühl dafür zu haben die Interaktivität genau dann zu entreißen, wenn es für die jeweilige Situation angemessen ist und so die gruseligen Szenen in den Vordergrund rückt.

Jedoch vergisst man in den Horrorspielen stets die Figurenarbeit. Denn auch in Little Hope scheint die Gruppe ziemlich eindimensional zu sein und wirkt teilweise sogar sehr aufdringlich. Das Verhalten einiger Charaktere ist oftmals dämlich, die Dialogszenen albern und einige Persönlichkeiten total nervig. Was so mancher Dialog aussagen will ist auch fraglich. So wirklich authentisch klingen diese selten. Aber hey, selbst in Friday the 13th oder Nightmare on Elm Street gab es oft ziemlich plumpe und unsinnige Dialoge. Es passt also, dass auch Little Hope als Horrorspiel keinen Preis für die Dialoge bekommen wird.

Während die eigentliche Story mit ihren Geister & Hexen Mythen durchaus unterhalten kann und toll inszeniert wird, sind die Charaktere speziell auch durch die zweifelhaften Dialoge totale Unsympathen. Darum dürfte es euch auch wenig jucken, wenn eine Geistergestalt mal eben die zickige Taylor oder den aufgeblasenen Daniel über den Jordan schickt. Was die Geschichte aber wieder sehr faszinierend macht, ist auch die Einbindung des Narrators, der weiterhin eine ziemlich clevere Ideen bleibt. Denn es ist doch sehr interessant, wenn er eure Entscheidungen hinterfragt und euch kleine Hinweise bezüglich eures Fortkommens gibt.

Ein Hexenwerk der Technik!

Das Videospiel Little Hope bleibt technisch fast auf demselben Niveau, wie seine geistiger Vorgänger. Darum sind auch wieder so manche Nachlade-Ruckler enthalten. Aber zumindest hat man die gröbsten Probleme weitgehend in den Griff bekommen. Denn die komisch, hölzernen Gesichtsausdrücke, die noch Men of Medan plagten, wirken hier nicht mehr so übertrieben. Das sorgt sofort für mehr Realismus bei der Darstellung von Emotionen und Ängsten.

Vielleicht auch, weil man wohl bewusst nicht so überzeichnete Emotionen nutzt. Visuell erschafft man mit schönen Licht & Schattenspielereien und passenden Effekten einen nahezu perfekte Atmosphäre. Mitunter treten aber dennoch wieder unerklärliche Fehler auf. Dazu zählen auch die wiedermal sehr unsauberen Lippenbewegungen, die oftmals A-Synchron sind. Ebenso taucht auch das altbekannte Problem auf, dass die Sprachausgabe zwischenzeitlich ausfällt. Da kann auch mal ein ganzer Dialog ohne Tonausgabe erfolgen, was für das Verfolgen der Geschichte nicht gerade günstig ist. Wieso derartige Bugs auch im Nachfolger nicht ausgemerzt wurden, ist schwierig zu erklären. Vielleicht ist es einfach ein Problem mit der gesamten Engine.

Im Vergleich zu Men of Medan hat man, wie schon erwähnt, aber immerhin auch die Figurenmodelle und ihre Gesichtsausdrücke verfeinert, wodurch die filmische Darstellung authentischer wirkt. Trotzdem bleiben so manche Animationsübergänge teils recht hakelig. Das zeigt sich besonders bei der Steuerung der Figuren, sobald ihr versucht mit Kamera und Charakterbewegung zurechtzukommen. Die Bildrate wurde derweil verbessert, weshalb das Spiel nun tatsächlich wie ein Film wirkt. Es lässt sich abseits der Technik also durchaus sagen, dass die Horror-Profis mal wieder ein atmosphärisches Spiel abgeliefert haben, bei dem sie überwiegend guten Horror bereithalten. Ist der Titel also perfekt? Nein, mitnichten. Aber für einen kurzen Ausflug ins Genre ist das Spiel, speziell auch im Herbst, sicherlich bestens geeignet. Denn sowohl Atmosphäre, wie auch Story sind besser als noch beim Vorgänger Man of Medan.


Vielen herzliche Dank an Bandai Namco Entertainmet für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares von Little Hope für die PS4:)


Bildmaterial: ©2020 Bandai Namco Entertainment ©Supermassive Games