Horrorfilm in Serienlänge

Die erste Staffel von Scream: The TV Series war unerwartet gut und konnte mich als Fan der Kult Filme stark in seinen Bann ziehen. Dies lag allerdings nicht daran, dass die Serie den Filmen nacheifert oder in irgendeiner Weise mit diesen vergleichbar wäre, sondern vielmehr an der intelligenten Umsetzung eines Slashers in Serien- Länge. Die Spielregeln für einen Horrorfilm über 90 Minuten sind klar, dieses Konzept jedoch in 10 Episoden a 40min zu verpacken, ist eine Mamuttaufgabe. Dass die Autoren hieran nicht gescheitert sind und im Serien Finale sogar Demaskierung des Killers und nötigen Cliffhanger zugleich unter einem Hut bringen konnten, zeigt wie viel Gedanken in dieses Projekt geflossen sind.

Audrey and Emma Episode 209

Es war somit genügend Raum für Interpretation und eine mögliche Fortsetzung vorhanden, die letztendlich auch in diesem Sommer realisiert wurde. Die Geschichte fügt sich dabei nahtlos an das überraschende Ende der ersten Staffel an und präsentiert uns Audrey als potenziellen Komplizen Pipers.

Blutiger, Düsterer und Beängstigender

Mit dem Fokus auf Audrey geht Season 2 nun auch einen vollends anderen Weg, als bisher, was die Story erfrischend vom Erstling abhebt. Von den Autoren als blutiger, düsterer und beängstigender angepriesen, konnten die ersten Episoden diese Aussage leider wenig untermauern. Vielmehr verlor sich Scream während seiner Erzählung ein wenig aus den Augen und benötige einige Episoden, um wirklich wieder zu alter Stärke zurückzufinden.

Killer and Emma Episode 211

So zogen sich einige Filler Episoden doch wie Kaugummi. Spätestens ab der Hälfte konnte sich die Serie aber wieder fangen und die Autoren hielten ihr Versprechen die Handlung düsterer zu präsentieren. Der Killer ist, anders als noch Piper, wesentlich mysteriöser in seinem Vorgehen und setzt lieber auf kleine Psychospielchen, um die Lakewood Six in Bedrängnis zu bringen. Vor allem Audrey muss dies zur Genüge am eigenen Leib erfahren. Aber auch Emma bleibt nicht verschont und wird vom Killer vermehrt in die Enge getrieben.

Emma and Audrey Episode 211

Als bekennender Fan der ersten Staffel, hatte ich anfangs meine Schwierigkeiten mit der Erzählung. Letztendlich kann ich aber sagen, dass die Geschichte der zweiten Season deutlich vielschichtiger ausfällt, als noch die Geschwister-Story rund um Piper und die Episoden oft auch eine emotionale und glaubhafte Tiefe entwickeln, die der ersten Staffel fehlte. Auf dem Drahtseilakt tanzend bewegte sich die Serie somit schwankend voran, konnte aber in den entscheidenen Story- Momenten genau den richtigen Ton treffen.

Sympathien für den Cast

Was die Serie, im Gegensatz zu den Filmen, auszeichnet, ist ihr Fokus auf die vielfältigen Charaktere. War Season 1 noch von Stereotypen übersät, ändert sich dieses Bild deutlich.

Emma and Eli Episode 207

Zwar könnte man, objektiv gesehen, immer noch den ein oder anderen in Schubladen einteilen, doch insgesamt ist die Charaktervielfalt deutlich gewachsen und die Persönlichkeiten fallen rätselhafter aus. Auch wiederkehrende Charaktere, konnten mehr Tiefe erlangen und Sympathie- Boni erhalten. Unerklärlicherweise wurde aber gerade Brooke, die in der ersten Season noch die beste Entwicklung durchmachte, zum unwichtigen Nebencharakter degradiert, der kaum mehr war, als das typische Sexobjekt.

AUDREY EPISODE 201

Dafür durfte aber endlich Bex Taylor-Klaus mehr von ihrem Charakter Audrey beleuchten. Die undurchschaubare Audrey ist in Scream 02 nicht nur Dreh- und Angelpunkt, sondern auch der interessanteste Charakter der Riege. Als unnahbar wirkende Person, hält sie den schmalen Grad zwischen potenzieller Killer und bemitleidenswerten Opfer, bei dem die Sympathien liegen.

Audrey Episode 208

Ist Audrey wirklich eine rachsüchtige Mörderin? War Piper ihr Komplize oder brauchte sie nur jemanden zum Reden, weil die Gesellschaft sie abgestempelt hatte? Diese Fragen gilt es beantwortet zu bekommen. Dass Audrey ein hitziges Gemüt hat, ist bekannt und ihr ungewöhnliches Verhalten untermauert oft die These sie könnte doch an den Morden beteiligt sein. Dennoch hält man sie, trotz der vielen Beweise selten für die Killerin, weil ihre Persönlichkeit in Lakewood so positiv hervorsticht. Auch Noah, ihr Super nerdiger Freund, ist wieder mit von der Partie und ermittelt weiterhin nach dem Komplizen Pipers.

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Da hierbei auch seine beste Freundin Audrey unter Verdacht gerät, sorgt dies für einige Missverständnisse unter den beiden. Dabei ist die enge, freundschaftliche Beziehung von Noah und Audrey recht nett eingefangen. Dadurch, dass Audrey lesbisch ist, wird es niemals zu einer Liebesbeziehung der beiden kommen, wodurch die Verbindung rein auf freundschaftlicher Ebene weiterbesteht und für Spannung sorgt. Da nebenher auch noch so einige ominöse Gestalten in Lakewood eintreffen, wird ein ordentliches Verwirrspiel erzeugt.

Ein Killer, unendlich Verdächtige

Mit potenziellen, neuen Feinden und Freunden wird somit eine nebulöse Handlung erzählt, die durch einige Sub-Plots neue Hintergründe zu Tage fördert. So ändert sich das Verständnis über den Cast, wodurch Sympathieträger, Verdächtige und Hassfiguren entstehen. Eigentlich gut gelöst. Die Autoren haben hier ein Teenie- Drama mit Slasher Elementen kreiert, das größtenteils gut durchdacht wirkt und mit der nötigen Spannung aufwartet. Leider konnte erneut das Season Finale nicht vollends das liefern, was man erhofft hatte.

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Abgesehen davon war die zweite Staffel doch recht gut geschrieben. Packend inszenierte Momente, Melancholie, Charaktere zum Mitfiebern, ein brutal Psychopathischer Killer und eine undurchsichtige Handlung. Den Autoren ist etwas gelungen, dass den meisten Horrorfilmen verwehrt bleibt – Spannung durch Mitfiebern. Während nämlich im Normfall der Cast eines Horrorfilms nur der Blutschlacht dienlich ist, sind die Personen in Scream: Season 2 sehr menschlich und wecken Sympathie.

Killer Episode 211

Zeitweilig sehr intelligent gelöst und blutig, aber dabei immer noch recht eigensinnig in seiner Erzählung und mit uninspirierter Auflösung. Teilweise waren die Theorien im Web cleverer, als die letztendlich gewählte Lösung des Autoren Teams. Dennoch konnte mich Season 2 beeindruckend gut unterhalten, weil genügend potenzielle Killer aufgebaut wurden, die mit undurchsichtigen Backgrounds neue Details ans Licht gefördert haben. Leicht gesagt, dass die Demaskierung des Mörders wieder enttäuschend ausfiel, doch ehrlich gesagt lebt Scream auch weniger von der Auflösung, sondern vom Weg dorthin. Erneut wurden uns so erbarmungslos die Teenager als potenzielle Gefahren aufgedrängt, dass letztendlich wirklich jeder Charakter der Serie einen halbwegs guten Grund gehabt hätte, den Killer zu mimen.

Killer Episode 210

Ob nun Eli, Kieran, Stavo, Audrey, Tante Tina, Ms. Lang, Mr. Brandson oder Maggie. Ja, sogar Emma ist permanent unter Verdacht. Jeder dieser Persönlichkeiten hat Geheimnisse und jeder hätte einen guten Grund in die Rolle des Killers zu treten. Somit ergibt sich ein Problem. Bei keinem Charakter hätte man die Äußerung gebracht “Verdammt, das hätte ich nicht erwartet”. Gerade, weil jeder unter Verdacht gerät und jeder seine Gründe hätte, wäre jegliche Demaskierung der gesamten Riege unbefriedigend.

Filmische Qualität:

Scream gilt als klassischer Slasher und präsentiert sich auch so. Atmosphärische Schauplätze, geringe Helligkeit und bewusst eingesetzte Kamerawinkel, die die Bedrohung untermauern, geben sich somit die Hand.

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Was dabei sehr interessant gelöst ist, sind die vielen eingestreuten Reminiszenzen an die große Film Vorlage. Öfters ertappt man sich als Zuschauer dabei, wie mal eine bestimmte Situation in genau dieser oder ähnlicher Form bereits im Original Scream zu sehen war und die Autoren auf diese Idee zurückgreifen. Das wirkt in diesem Momenten auch nicht geklaut, sondern dient einfach der kleinen Hommage an den Kultstreifen, was sehr gut funktioniert.

Audrey and Emma Episode 210

Zudem nutzen die Autoren ein sehr cleveres Konzept bei der Namensgebung ihrer Episoden. So ist jede Episode nach einem markanten Horrorfilm benannt und wird thematisch auch ähnlich behandelt. Das ist in sich absolut stimmig und genial erdacht. Für diesen kreativen Einfall gebührt den Autoren wirklich ein Lob. Abgesehen punktet Scream wieder vollends bei seiner Musikauswahl. Schon die erste Staffel war dahingehend großartig besetzt und auch hier sind wieder einige Songs dabei, die ihre jeweilige Szene gut unterlegen.

Deutsche Bearbeitung

Nachdem die erste Staffel in meiner letztjährigen Review Kritik einstecken musste, kann ich dem neuen Synchronstudio, das beauftragt wurde, ein wenig mehr Lob aussprechen.

BROOKE, NOAH AND EMMA EPISODE 212

Die Dialogregie macht hier einen deutlich besseren Job, als noch im Vorjahr und liefert den Synchronsprechern so auch bessere Möglichkeiten. Der Cast selber ist weitgehend gleich geblieben. Einzige Ausnahme Audrey, die neubesetzt wurde. Allerdings muss ich sagen, dass ich ihre Stimme sehr passend gewählt fand und sie nach erster Eingewöhnung mehr zum Charakter passte, als die der vorherigen Sprecherin. Insgesamt eine gute Arbeit, die ab und an noch etwas hölzern klingt, aber eine gewaltige Steigerung zur ersten Staffel darstellt.

Fazit:

Ein unbefriedigender Ausgang ändert nichts an der Tatsache, dass den Autoren auch hier wieder ein unterhaltsamer Slasher in Serien Form gelungen ist, der mehr denn je durch seine inzwischen lieb gewonnenen Charaktere lebt. Scream: Season 2 erfindet das Rad nicht neu, schafft es aber einen durchweg guten Guess-The-Killer Plot zu kreieren, der bei Laune hält. Mit offenen Ende verweile ich nun erwartungsvoll auf das große Finale im Halloween Special.


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©Scream: TV Series – Season 2