Seit Jahren schon hält Bandai Namco Entertainment die JRPG- Fahne im Westen wacker aufrecht. Mithilfe des Publishers gelangten Rollenspiel Hits wie Tales of Vesperia, God Eater, Ni No Kuni und auch Digimon World nach Deutschland. Besonders viel Aufmerksamkeit erregte im Jahre 2019 auch das intern entwickelte Spiel »Code Vein«, das sich als eine Art Anime Dark Souls herausstellte und spielerisch tatsächlich auch eigene Wege beschritt. Nun sollen die hauseigenen Bandai Namco Studios im Zusammenarbeit mit dem Auftragsstudio Tose Co., Ltd (z.B. Wario Ware Gold, Naruto Path of Ninja etc.) ein weiteres Action Rollenspiel im Markt etablieren. Ob die neue Formel aus Kämpfen, Visual Novel und Cyberpunk aufgeht, wollen wir mal klären.

Persona Nexus: Automata, könnte man sagen.

Das Rollenspiel zeigt sich als schnelles Hack’n Slay Geschnetzel, bei dem vor allem die Special-Moves die spielerische Komponente erweitern. Im Klartext bedeutet das, wir hauen uns regelrecht durch ein Schlachtengetümel gegen fiese Mutanten, die der Bevölkerung ans Leder wollen. In gewissen Situationen fühlt sich das dynamisch flotte Spielsystem fast schon wie die actionreichen Kämpfe in Nier: Automata an.

Das Rollenspiel lässt euch anfangs die freie Wahl, ob ihr euch für den männlichen oder weiblichen Part entscheidet, was spielerisch tatsächlich Auswirkungen hat. Während zwar beide Helden psychokenetische Fähigkeiten besitzen, setzen beide auf unterschiedliche Kampfstile. Der couragierte Schwertkämpfer Yuito Sumeragi überrascht die Feinde mit schweren Hieben im Nahkampf. Die toughe Kasana ist dagegen eine geübte Fernkämpferin, die den Feinden auf Distanz ordentlich einheizt. Je nach Figurenwahl fällt der spielerische Anteil also leicht unterschiedlich aus, was aber auch gleichermaßen für die wendungsreiche Geschichte gilt. Ihr erlebt die emotionale Storyline also aus zwei Perspektiven, bei denen euch zeitweise auch andere KI-Begleiter zur Seite eilen.

In meinem ausführlichen Testlauf habe ich mich für die Fernkämpferin Kasana entschieden, deren Beziehung zu ihrer Schwester geschichtlich mit einbezogen wird. Ehrlicherweise muss ich anfangen, dass ich zwar ihre Storyline ziemlich spannend fand, aber spielerisch wohl lieber Yuito hätte wählen sollen. Denn Kasana als Fernkämpferin fehlt es so manches Mal an Durchschlagskraft, was sich in schwierigen Gefechten besonders dann zeigt, wenn die vielen Feinde zu aufdringlich werden. Das Spiel selbst zelebriert sich als Action-Rollenspiel mit Echtzeitkämpfen, die auch einiges an Taktik erfordern. So lassen sich z.B. zeitweise die Fähigkeiten der KI-Kollegen über die Brain-Link Funktion kopieren, was im Kampf für auch strategisch genutzt werden kann, um z.B. einen Feind mit Wasser in Berührung zu bringen und ihm anschließend Stromschläge zu verpassen.

Spielerisch bleibt der Titel damit ziemlich dynamisch und hält bei den Kämpfen ordentlich bei Laune. Zumal auch die überzogenen Special-Moves wirklich cool inszeniert werden und durch Interaktivität bzw. Quick-Time Moves aufgelockert sind. Fast so wie in der Persona- Serie zeichnet sich eure Stärke auch die innige Verbindung zu eurem Gefährten aus, die ihr durch Gespräche und Quests vertieft. Im Gegensatz zum Vorbild sind die Dialogszenen aber leider nicht alle so stark geschrieben. Viele Situationen dienen dem Mittel zum Zweck, weshalb man die Gespräche gerne mal skippt, um schnell wieder ins rasante Kampfgeschehen einzusteigen. Denn wenn es Scarlet Nexus mit etwas übertreibt, dann sind es wohl die ausufernden Gespräche. Da vergehen schon mal 30 Minuten, bevor ihr euren nächsten Arenakampf ausüben dürft.

DAS also ist Brain Punk!

Als Mitglied des AAS- Militärs erhaltet ihr natürlich auch euer eigenes “Basislager”, einen Bereich, in dem ihr euch ausruhen und mit euren Freunden diskutieren könnt. Zusätzlich hält das fiktive Neo-Tokyo einen Stadtteil bereit, den ihr frei nach eurem Ermessen erkunden dürft. Bandai Namco bezeichnet diese Cyberpunk Ästhetik und seine futuristischen Mechaniken, sowie Gebilde als Brain Punk. Statt neonfarbene Industriegebiete und Kybernetik wie in Cyberpunk 2077 oder Deus Ex, zeugt die Dystopie hier aus einem Endzeitszenario, bei dem Verbindungen (Links) zwischen den Gehirnen der Personen vorherrschen und so einen Austausch von Spezialfähigkeiten ermöglichen. Klingt verrückt, gibt dem Cyberpunk Stil aber einen gewissen eigenen Touch.

Die jeweiligen Missionen finden derweil in kurzen Abschnitten außerhalb der Stadtmauern statt und reichen von öden Sandlandschaften bis hin zu futuristischen Hochhausabteilen. Für Abwechslung ist hier gesorgt. Leider besitzt das Spiel keine freie Speicherfunktion. Stattdessen platziert man überall Save-Points, die manuell angesteuert werden. Das kann in einigen Gebieten ziemlich nervig sein, da die Level-Struktur schon mal verwirren kann. Mit wechselnden KI-Partnern geht es dann ans Eingemachte. Denn im Rahmen der Geschichte warten nicht nur fliegende Biester und schnell erledigte Bodentruppen an Mutanten auf euch, sondern auch starke Bossgegner, die man taktisch erledigen sollte. Überhaupt sind die Fähigkeiten einzelner Gegnertypen sehr clever eingebunden und überraschen mit komplexen Kampfkonzepten. Denn diese werden gekonnt mit dem Brain-Link gemischt, der es euch ermöglicht verschiedene Fertigkeiten zu aktivieren und mit euren eigenen Kampfstil zu kombinieren.

So jongliert ihr teilweise Objekte mit eurer Psychokinese, aktiviert eine Spezialfähigkeit und knallt noch mal einen Fernkampfangriff hinterher. Das Kombinieren und Ausprobieren der Schwächen dürfte zum unterhaltsamsten Aspekt des Spiels gehören. Ich würde sogar behaupten, dass nur wenige Kampfsysteme im Rollenspiel Sektor so viel Spaß machen. Schade ist nur, dass dem Spiel so manche hakelige Steuerung im Weg steht. Der Positionswechsel, die Kamerajustierung und die Zielausrichtung sind in der Hitze des Gefechts tatsächlich sehr umständlich gelöst. Trotzdem fühlt sich Scarlet Nexus unverbraucht und dynamisch an, was besonders an den toll eingefügten Skills und deren Wechselwirkung liegt.

Als eingefleischter Rollenspieler erwarten euch überdies natürlich auch die obligatorischen Levelsysteme, Visual Novel Szenen und Palette an Menü-Optionen. Was man dem Spiel auch ankreiden könnte, wäre seine “Recycling-Ader”. Soll heißen, Levelstrukturen und Feindtypen werden oft wiederverwendet, was in schlauchig lineare Kampfsituationen mündet. Die Genrevielfalt eines Dark Souls oder Shin Megami Tensei erreicht man damit nur selten. Das gilt auch in Bezug zur sozialen Komponenten, die nie Qualität eines Persona aufrechthält. Dank einer guten Inszenierung schafft man es aber trotz alledem jederzeit den Spieler bei Laune zu halten.

(K)ein Next Gen, aber hübsch gestaltet!

Jetzt solltet ihr ausreichend über die spielerischen Merkmale des Rollenspiels informiert sein. Wichtig dürfte noch die technische Seite der Medaille sein. Wie schlägt sich das Spiel also hinsichtlich Performance und Auflösung? Ich schätze mal der Anime Look hat hier gewaltig bei der Optimierung geholfen, womit der Titel bei in 4K- auch seine angepeilten 60 Bilder pro Sekunde gut halten kann und nur wirklich selten Frame-Drops im Combat auftauchen. Zudem überzeugen auch die Ladezeiten auf der Xbox Series X, die von sehr geringer Dauer sind.

Aktuell scheint es auf der Series X aber keinen 120 Hertz Modus zu geben, was sich bei einem so dynamischen Actionspiel ja eigentlich anbieten würde. Dafür bleibt man dem dem sogenannten Brainpunk- Design und den einprägsamen Grafiken sicherlich auf längere Sicht in Erinnerung. Denn die Welt wirkt durchdacht, kreativ und ist voller Objektideen. Die niedrig aufgelösten Texturen ergeben derweil ein weniger schönes Bild. Trotz der voll ausmodellierten Umgebung ist die Auflösung ein offensichtlicher Makel. Die Level of Detail Distance der Gebäude, Bewohner und Objekte hat ebenso seine Tücken. So ploppen öfters mal Elemente ins die Umgebung und Objekte generieren langsamer ihre Details. Auf Ambient Occlusion oder spezielle Schattenspielereien müsst ihr ebenso verzichten. Oftmals begegnet euch nur eine einfache Texturmatte, die kurzerhand unter die Objekte gelegt wurde.

Im Gegenzug dazu bleibt das Bild aber immerhin schön ruhig. Nebenbei setzt man auf Screen Space Reflections, um ein paar nette Spiegelungen in die Umgebung einzubinden. Damit verleiht man der Welt ein wenig mehr Glanz. Das gilt allerdings nicht für die Raucheffekte, die in einigen Gebieten auftauchen. Hier scheint man simple Alpha Effekte zu nutzen, die offenbar nur nach Betrachtungswinkel aktiviert werden. Ob technisches Problem oder gewolltes Grafikelement sei mal dahingestellt. Die Beleuchtung gibt dagegen ein gutes Bild ab, wodurch die Szenarien ein schickes Gesamtbild ergeben. Story-Cutscenes werden übrigens zumeist als Visual Novel Szenen abgelichtet. Nur wenige Videosequenzen sind komplett animiert.

Das ist nicht optimal, aber inzwischen sollten Rollenspieler das ja aus Japan gewöhnt sein. Schließlich laufen Plaudereien fast immer nach Schema-F mit unbeweglichen Motiven ab. In diesem Fall hat sich das Entwicklerstudio aber dazu entschieden die Manga Panels mit schnellen Schnitten zu animieren, wodurch sie deutlich dynamischer wirken. Die Kombination aus Nah- & Fernangriffen, sowie Psychokinese wird zudem gut animiert und setzt den Kämpfen durch die VFX ordentlich Feuer unter dem Hintern. Abgesehen davon ist auch die Input-, und Response Time sehr gut. Visuell überzeugt man mit schönen Farben, detaillierten Charakter-Modellen, tollem Art-Design und einem insgesamt sehr individuellen Grafikstil. Die solide Technik steht dem Spiel zwar leicht im Weg, aber stilistisches ist das ein geiles Ding, das auch mit toller Spielbarkeit überzeugt.



FAZIT:
Die Bandai Namco Studios schaffen es bei ihrem Projekt ein beachtliches Art-Design zu etablieren. Dazu kommt ein eingängiger Soundtrack, ein gutes Kampfsystem und eine passende Konsolenoptimierung. Technisch ist es leider nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Spielerisch aber ein tolles Erlebnis!

Scarlet Nexus

ca. 60€
8.4

Gameplay

8.9/10

Spiele-Technik

7.9/10

Spielspaß / Umfang

8.0/10

Story / Atmosphäre

8.7/10

Das gefällt

  • Tolle Spielbarkeit
  • Kreatives Art-Design
  • Dynamisches Kampfsystem

Das missfällt

  • VFX & Visuals
  • Viel Leerlauf
  • Statische Dialoge