Saints Row: The Third ist zurück, moderner denn je! Der pubertäre Action Adrenalin-Kick soll euch jetzt mit verbesserter Technik noch spektakulärer die Effekte um die Ohren hauen. Wie sich das Remaster dabei schlägt, verrate ich euch im Test.. 

Ultra-Postmodernism, I Love it!

Die Remake & Remaster Welle rollt gnadenlos weiter! Nach der erfolgreichen Wiederveröffentlichung einzelner Konsolen Lieblinge wie Borderlands, Burnout Paradise, Call of Duty Modern Warfare 2, Yakuza HD Collection oder auch zuletzt Mafia 2 melden sich jetzt auch die 3rd Street Saints zurück. Fast 10 Jahre sind inzwischen ins Land gezogen, seit sich Volition dazu entschloss ihren einstigen GTA-Klon in ein abgedrehtes Sandbox Spektakel zu verwandeln.

Mit grenzdebilen Humor, verrückten Figuren und dem totalen Wahnsinn gewappnet, schickt man die Saints jetzt noch einmal in die heimischen Wohnzimmer der Spielergemeinschaft. Saint’s Row: The Third hatte es schon im Jahre 2011 mit starken Konkurrenten zu tun. Highlights wie Uncharted 3, Batman Arkham City oder auch Skyrim lockten mit weitreichenden Welten oder abenteuerlichen Storys. Trotzdem schaffte es das Spiel aus der Masse hervorzustechen und zum Kultspiel aufzusteigen. Genauso wie damals muss sich das Remaster derzeit auch wieder mit beliebten Spiele-Remakes wie Resident Evil, Mafia 2 und Final Fantasy messen. Statt sich hier mit den ausgeklügelten Storys von Mafia oder den wegweisenden Rollenspiel Welten von Final Fantasy zu messen, gilt hier auch wieder das Motto: Action Pur!

Dabei klingt das Spiel auf dem Papier doch ganz gewöhnlich. Ein Action-Adventure mit offener Spielwelt, vielen Missionen und zahlreichen Nebenbeschäftigungen. Ganz GTA-Like eben. Doch unter der Oberfläche schob sich beim Spielen so langsam ein abgedrehtes Action Feuerwerk hervor, das man eigentlich nur mit einem Wort beschreiben kann: Chaotisch! Als Schauplatz dient der Ort Steelport, der schon in den Vorgängern als Spielwelt zum Einsatz kam. Hier landet ihr als Mitglied der … und erarbeitet euch die Stadt zurück. Denn die geschichtliche Ausgangslage ist so abstrus, wie ein David Lynch Film. Nachdem die 3rd Street Saints das Örtchen Stilwater übernommen haben, ist die Gang zu Ikonen der Popkultur geworden. An jeder Ecke der Stadt tummeln sich Fans, in den Geschäften warten Johnny Gat- Wackelpuppen auf ihren Verkauf und riesige Plakate der Gangmitglieder verzieren die Gebäudefassaden.

Um den nächsten Kinofilm der Saints zu promoten, macht sich die Truppe auf einen Raubüberfall zu inszenieren, bei dem sie jedoch auf starke Gegenwehr treffen. Schon bald landen Shaundi, Johnny Gat, Pierce und eure Wenigkeit hinter Schwedischen Gardinen. Als Drahtzieher der Aktion entpuppt sich ein Zusammenschluss verschiedener Banden, die nun als neues Verbrecher-Syndicat die Straßen erobern wollen. Für die Saints wird’s also höchste Zeit Widerstand zu leisten und die Feinde zur Strecke zu bringen. Damit beginnt dann ein fast schon bescheuerter Rachefeldzug, der sich zu keiner Sekunde wirklich Ernst nimmt. Wenn ihr eure Widersacher mit lila Gummi-Dildos verprügelt, einen Typen im Katzenkostüm jagt oder mit einem Panda-Buggy durch die Straßen düst, wisst ihr was Sache ist.

Pubertär, verrückt und urkomisch!

Im Laufe des Spiels häufen sich diese WTF-Momente nur noch, sodass ihr euch so manches Mal fragen werdet in was für einen Fiebertraum ihr gerade gelandet seid. Trotzdem oder wahrscheinlich genau Deshalb werdet ihr das Spiel kaum zur Seite legen können. Dieser abgedrehte, vollends wirre Mix aus Over-The-Top Action, wilder Missionsvielfalt und pubertären Witz ist einfach urkomisch und hält der gesamten Spielebranche den Spiegel vor. Saint’s Row: The Third parodiert bewusst typische Videospiel Klischees.

Das fängt schon beim verrückten Charakter-Editor an, der euch jede erdenkliche Absurdität ermöglicht. Es ist schier unglaublich wie viele Einstellungsmöglichkeiten euch die Figurenerstellung bietet und was für wahnwitzige Ideen sich umsetzen lassen. Sogar den Sexappeal dürft ihr selbstständig anpassen, was deutlich an bestimmten Körperregionen sichtbar wird. Kein Wunder, zelebriert das Spiel seine pubertäre Art ja regelrecht. Doch genug der virtuellen Pimmelwitze. Was zählt ist auf dem Platz. Und dort zeigt sich Saint’s Row manchmal als spielerische Zwickmühle. Denn leider hat man es versäumt der KI-Gegner mal ordentlich Grips in die Birne zu feuern.

Stattdessen stehen die Jungs & Mädels nur stumpf in der Gegend herum und warten darauf mal gehörig eins mit dem Riesen-Dildo über die Rübe gezogen zu bekommen. Auf dem leichten Schwierigkeitsgrad könnt ihr gar direkt vor dem Feind stehen bleiben und ihm die Brust mit Blei voll pumpen. An euch selbst fliegen die Kugeln gefühlt ständig vorbei. Erst auf höheren Schwierigkeitsstufen tauchen zeitweise Probleme auf. Allerdings nicht, weil die künstliche Intelligenz plötzlich so etwas wie Wissen entwickelt, sondern weil die Waffen und Schläge der Feinde einfach übertrieben viel Schaden anrichten und so manche Szene dadurch unfair ausfällt.

Die dringenden Verbesserungen was die Spielmechanik betrifft, wurden natürlich auch nicht vorgenommen. Dadurch fühlen sich Schusswechsel so steif und hakelig wie eh und je an. Das gilt allgemein auch für die Steuerung der Figuren, die gerne mal an Objekten kleben bleiben. Auch das Missionsdesign wird sicherlich keine Preise absahnen. Überzeugt aber durch seine lustigen Ideen, die den Spaß jederzeit hochhalten. Seid ihr in einer Szene noch am Filmset unterwegs und verkörpert einen Action-Helden, schickt euch das Spiel im nächsten Moment in einen regelrechten Fantasy-Trip eines Fans und ihr erlebt hautnah einen Angriff aus dem All.

Wenn euch das an Verrücktheit nicht reicht, dürfte der Überfall auf einen Fetisch-Club vielleicht eine gute Ablenkung sein. Die flachen Witze und Sprüche der Saints sorgen dabei auch stets dafür, dass ihr ein Grinsen sicherlich nicht verbergen könnt. Sicherlich, das Missionsdesign folgt dem simplen Motto: Feinde ausmachen, ausschalten, weitermachen. Doch wie die Entwickler diese Aufgaben vermischen, ist einfach unglaublich cool. Mit knallharter Gag-Dichte ins Fressbrett, dafür steht Saint’s Row: The Third Remastered. Ich schätze darum, jeder Action-Fan wird am chaotisch, humorvollen Schwachsinn seinen Spaß haben.

Die Saints sind keine dreiste Kopie!

Das Spiel lebt aber ja auch ohnehin in erster Linie von seiner blödsinnigen Inszenierung. Die größte Stärke des Spiels ist der Freiraum, den euch die Entwickler außerhalb der Hauptmissionen geben. Das Action-Adventure hält zahlreiche Aktivitäten für euch bereit, die voller Witz sind. So dürft ihr euch z.B. am Versicherungsbetrug versuchen, bei dem ihr euch möglichst viele Verletzungen zufügen müsst.

Oder ihr eskortiert einen Tiger durch die Stadt, der euch bei Missachten der Regeln ein paar Hiebe verpasst. Achtet also darauf, dass die Rage- Anzeige des Tieres nicht allzu sehr ausschwenkt. Wem das noch nicht absurd genug ist, der versucht sich in Professor Genki’s Super Ethical Reality Climax, einer Reality TV-Show, bei der ihr möglichst unbeschadet durch einen Hinderniss-Parcour gelangen und alle Maskottchen beseitigen müsst, die sich im Areal aufhalten. Zusatzpunkte gibt es für verschiedene Zielscheiben. Erreicht ihr vor Ablauf des Zeitlimits den Ausgang erhaltet ihr das verdiente Geld. Echt ein verzwicktes Spielchen, das leider teilweise unter einem schwerwiegenden Bug leidet, bei dem sich das letzte Tor nicht öffnet.

Wie sich dieser alte Fehler aus dem Original wieder ins Remaster einschleichen konnte, ist mir schleierhaft. Da hat die Produktqualitätskontrolle ordentlich versagt. Wirklich schade, denn das Minispiel an sich ist ein lustiges, abwechslungsreiches Ding für Zwischendurch. Sieht man über diesen Makel aber hinweg, bleibt ein durchweg unterhaltsames Open World Abenteuer mit vielen Minispielen/Aktivitäten. Was auch lobenswert ist, sind die vielen Fahrzeuge, die ihr freischalten könnt. Überall in der Welt, und im Laufe des Spiels, finden sich neue Untersätze.

Saint’s Row: The Third enthält eine riesige Auswahl an steuerbaren Fahrzeugen, zu denen “normale” Autos, Militärfahrzeuge, sowie auch Boote, Hubschrauber und Flugzeuge gehören. Natürlich besteigt ihr die Wagen nicht einfach über die “normale” Tür, sondern springt mit Geschwindigkeit durchs Fenster und landet schnurstracks auf dem Fahrersitz. Das sieht nicht nur unfassbar witzig aus, sondern sorgt auch für einen ziemlich guten Flow. Während man bei der Konkurrenz (GTA, Mafia, Watch Dogs etc.) noch lange das gestohlene Auto kurzschließen muss, saust man in Saint’s Row ohne Umschweife lost.

Besonders lustig sind dabei wohl die “speziellen” Fahrzeuge von Mr.Genki oder sowas, wie der vorhin erwähnte Panda- Wagen. Zudem lässt sich ein Großteil noch zusätzlich anpassen und mit Bauteilen verbessern. Ihr könnt also wirklich viele Stunden in das Spiel pulvern. Auch was die Outfits betrifft, hat das Spiel ein großes Angebot in der Hinterhand. Langeweile werdet ihr also wohl niemals empfinden. Was einst als reine GTA Kopie begann, hat sich so facettenreich entwickelt, dass mich die Spielereihe inzwischen tatsächlich mehr begeistert, als das ehemals große Vorbild.

Denn wo Rockstar auf klassische Sozial-Satire setzt und dabei noch weitgehend realistisch bleibt, ist Saint’s Row das Paradebeispiel eines “Ist mir doch Sch… egal” Spiels. Was hier an verrücktem Mist abgefahren wird, setzt so ziemlich allem, was man im Videospiel bisher erlebt hat, die Krone auf. Auch hinsichtlich der Beschäftigungen erhält man weitaus spaßigere Aktivitäten. Insofern überflügelt der Schüler seinen Meister vielleicht sogar in so manchen Belangen.

Das beste Remaster des Jahres?!

Doch das ist eben alles eine alte Leier. Womit sich das Spiel in die Neuzeit katapultieren will, ist die Technik. Denn anders als bei so manchen Remaster wie Borderlands von 2K Games haben sich die Entwickler hier nicht nur auf die Auflösung besonnen, sondern an einigen vielversprechenden Grafik-Merkmalen herumgewerkelt.

Schon bei der ersten Fahrt durch die Straßen fällt eine Verbesserung auf. Das gesamte Bild wirkt durch den stärkeren Anti-Aliasing Filter deutlich ruhiger. Im Hintergrund flimmert es weniger, die Straßen scheinen detaillierter und der Verwisch-Effekt (Blur Filter) ist ansehnlicher eingebunden. Doch aus abseits dessen fallen verschiedene Detailänderungen in der Spielwelt auf. So hat man ordentlich an der Belichtung geschraubt und die Umgebungsverdeckung des Originals durch eine globale Beleuchtung ausgetauscht, die mit Dynamic Lightning besonders für Objekt Spiegelungen und Umgebungsschattierungen vorteilhaft ist.

Das Reflektieren der Lichter sorgt für eine stimmigere Grafik, die man von einem Remaster gar nicht mehr erwarten würde. Auch die Deth-Map Shadows sehen besser aus und erzeugen ein realistischeres Aussehen. Im Original hatte man hier ziemlich detailarme Objektschatten. Die überzogenen Effekte, die zumeist im Spiel auftauchen und den Bildschirm dominieren sind auch wesentlich beeindruckender, als noch im PS3/360 Titel. Schließlich kracht es hier an nahezu jeder Ecke, weshalb Grafik-Spielereien wie Dynamic Volumes (Feuer & Rauch) eine natürlichere Verteilung erzeugen.

Darüberhinaus hat der Entwickler in der Konsolen Version ein paar Technik- Elemente eingefügt, womit ihr die visuelle Qualität leicht anpassen und HDR- nutzen dürft. Besonders viel Arbeit ist allem Anschein nach in die Charakter-Modelle geflossen, deren Poly-Count spürbar erhöht wurde und mit überarbeiteten Texturen überzogen wurden. Die Haut Shader sorgen für einen realistischeren Look, wodurch der Cartoon- artige Stil der Originale geringer ausfällt. Allgemein fällt auf, dass das Entwicklerstudio zahlreiche Details verändert hat, zu dem auch die Geometrie zählt.

Sowohl Figuren, als auch Objekte bieten deutlich mehr Details, was besonders in Innenräumen ersichtlich ist. Auch Laubbäume, Gräser und sandige Hügel wirken dadurch authentischer. Hier im Text all die Grafikänderungen aufzuzählen würde aber nun den Rahmen des Artikels sprengen. Deshalb schaut doch lieber in meine Technik-Analyse, die ihr weiter unten im Beitrag als Video findet. Dort könnt ihr die Detailverbesserungen auch genauestens betrachten. Was sich abschließend sagen lässt, ist, dass Saints Row: The Third Remastered ein ausgesprochen gutes Remaster geworden ist, bei dem enorm viel technisch verbessert wurde.

Man hat sogar die Menüführung leicht überarbeitet und neue Hintergrund-Szenen eingefügt. Das zeigt nur mit wie viel Leidenschaft und Ehrgeiz hier gearbeitet. Nach dem eher mäßigen Switch Port ist für Playstation 4, Windows und Xbox One eine außerordentlich gute Neuauflage entstanden. Man sollte anerkennen wie viel Herzblut im Projekt steckt. Ganz anders als Mafia 2, Burnout Paradise, WarCraft oder Panzer Dragoon ist Saint’s Row ein Volltreffer! Kugel versenkt. Geile Sache! Dafür gibt’s auch mal eine uneingeschränkte Kaufempfehlung! Aber bitte liebe Entwickler merzt mal den Bug im Professor Genki Wettstreit aus. Dann wäre das Ding echt rund.


Vielen herzliche Dank an Koch Media / Deep Silver für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares von Saints Row: The Third Remastered für die PS4:)


Bildmaterial: ©Deep Silver, a division of Koch Media GmbH, Austria / ©2020 and published by Deep Silver