Im Schatten von Gran Theft Auto lebt es sicherlich nicht leicht. Schließlich ist der Platzhirsch das Nonplusultra für Open World und Sandkasten Action. Eine Truppe ließ sich davon in der PS3/360 Generation aber nicht entmutigen und knallte dem sozialkritischen Skandalspiel GTA mal ordentlich eins vor den Latsch. Zumindest was die überzeichnete und zumeist überspitzte Ader des Humors betrifft. Nachdem man sich mit Teil aber schließlich in völlig utopische Richtungen geschossen hatte, blieb dem Entwicklerteam jetzt nur noch ein Schritt zurück. Der humoristische Ansatz ist zwar geblieben, doch im Vergleich zu Alien Invasionen und dem Tor zur Hölle ist das neue Saints Row gefühlt etwas geerdeter.

Fans des Videospiel Chaoten Saints Row wissen aber sicherlich auf was sie sich im fünften Teil verlassen dürfen: Explosionen, Schusswechsel, verblödete KI-Mitbürger und eine völlig abgedrehte Spielwelt. Statt der ursprünglichen City Saints geht’s mit einer neuen Truppe auf Abenteuerreise quer durch die verrückte US-Landschaft. Das ist nur konsequent, um einen Schlussstrich unter dem albernen Vorgängern zu ziehen und das Spiel nicht nur namentlich neu zu starten. Also gilt es erneut sich als kleiner Fisch zum Ganoven Boss heraufzuarbeiten. Die Geschichte beginnt dabei ziemlich überraschend und zeigt sich tatsächlich etwas ernster. Im Vergleich zu früheren Ablegern ist der Auftakt aber auch sehr langamtig inszeniert.

Während es in Saints Row 2 sofort einen Gefängnisausbruch gab, ihr in Saints Row The Third als Aufhänger eine Bank überfallen und in Saints Row 4 direkt mit einer Alien Invasion konfrontiert wurdet, fängt das Spiel dieses Mal etwas “unspektakulärer” an. Das soll nicht heißen, dass der Auftakt nicht funktionieren, es ist nur ein ziemlich krasser Schnitt gegenüber dem adrenalin getriebenen Actioneinstieg früherer Spiele.

Spielerisch bleibt man dem Konzept aber abseits dessen relativ treu. Ihr nehmt also wahlweise Aufträge an, zieht durchs Land, heizt mit fetten Karren und anderem Gefährt durch die Straßen und versucht euch an Minispielen und erweitert euer Territorium. Das Missionsdesigns könnte hierbei genauso aus den Vorgängern entsprungen sein.

Sprich: Keine Fragen stellen, sondern Ballern. Die Schießbuden Action geht dafür aber gut von der Hand. Die Inszenierung stimmt, das Gunplay fühlt sich gut an und die Waffenarten sind auch abwechslungsreich genug.

Auch wenn es dieses mal keine so urkomischen Spezialwaffen gibt. Das Fahrgefühl der Fahrzeuge ist dagegen etwas “wild”, würde ich es mal bezeichnen. Die Physik ist tatsächlich etwas ungewohnt, was zu einer etwas schwammigen Steuerung führt. Besonders, wenn man statt Arcade Racern eher Simulations- Spiele gewohnt ist. Aber in einem Actionspiel muss ein Fahrzeug eben auch mal haltlos durch die Gegend brettern, um die banale Inszenierung zu rechtfertigen. Insofern kann man in diesem Fall wohl wenig vorwerfen. Wenn ihr mal nicht den Arbeitnehmer frönt, sucht ihr euch eben anderweitig Aktivitäten in der Spielewelt.

In diesem Sinne ist Saints Row auch weiterhin die perfekte GTA Alternative. Denn ein gelungener Spielplatz zum Austoben ist auch der Reboot wieder einmal geworden. Saints Row ist einfach der verrückte kleine Bruder des Rockstar Hits, der sich wesentlich anarchistischer gibt und die Action Latte noch mal ne’ Scheibe höher legt. Was aber auffällt, ist dass die Story eigentlich mehr Potenzial gehabt hätte und sicherlich die Figuren auch hätten besser geschrieben werden können.

Der Original Cast oder zumindest der Cast aus Saints Row The Third ist da deutlich interessanter und auffallender in ihrer Charakterisierung. Der gewisse Funke will beim neuen Team nicht so ganz überspringen. Was dem Spiel nämlich so manches Mal zwischen die Beine grätscht, ist die eigene Unfähigkeit den banalen Humor zu transportieren. Man versucht einen Mittelweg zwischen Saints Row The Third und GTA zu wählen, der nicht immer gelingen will. Höhnisch, aber nie lustig. Als würde man möglichst versuchen jeglichen Gegenwind aus der aktuell sehr empfindlichen Gesellschaft abzuwenden. Ja niemanden auf den Schlips treten und die nächste Shitstorm Welle auslösen. Das sorgt aber dafür, dass Saints Row als Reboot zum Teil sehr anspruchslos und zahm wirkt. Ob man sich und den Fans damit einen Gefallen tut?

Dafür gelingt es dem neuen Spiel aber mit dem wohl besten Charakter- Editor aller Zeiten zu überzeugen. Das, was hier an verrückten Ideen und Konzepten eingeflossen ist, sucht seines Gleichen. Hier kann man wirklich den kreativen Kopf in sich wecken und die Spielfigur völlig nach den eigenen Wünschen formen.

Ich glaube ich habe auch tatsächlich am Längsten im Editor verbracht. Schon allein dafür lohnt sich das Spiel, um die exostischten Figuren des Spielekosmos zu schaffen. Auch das neue Szenario ist etwas frischer als noch mal in die klassische Gegend der ersten Teile zurückzukehren.

Allgemein macht es auch trotz der kleinen Kritik am wenig originellen Konzept sehr viel Spaß sich in die Open World zu schmeißen und mal die “Sau” rauszulassen. Das bringt wie eh und je sehr viel Bock, wenn man sich denn auf die Hirn-Aus Action mal einlässt.

Technisch ist Saints Row dagegen ein zweischneidiges Schwert. Die Belichtung ist ordentlich und überzeugt mit einigen schicken Szenen, die die sonnige Umgebung gut umsetzen.

Überhaupt ist es beachtlich wie viel Einstellmöglichkeiten sich auch hinsichtlich Ambient Occlusion Raytracing und der allgemeinen Szenen- und Schattendarstellung bieten. Zudem ist es lobenswert, dass sich visuelle Unterschiede zwischen den Grafiksettings sofort im Live-Spiel sichtbar machen lassen, da das Auswahlmenü nur drüber gelegt wird.

Besonders auffällig ist es, wie bei “Niedrig” an Details und Objekten gespart wird. Zum Teil sind bestimmte Gegenstände nicht einmal im Level eingebunden, sofern man nicht auf “Hoch/Ultra” schaltet. Das wirkt speziell beim Unterholz und der Reflexion eigenartig. Im Vergleich zu früheren Versionen hat sich visuell unübersehbar einiges getan, aber im Hinblick auf das Alter von Teil 4 ist das auch wenig verwunderlich.

Für ein Spiel des Jahres 2022 ist die Grafik aber trotzdem nicht unbedingt als taufrisch zu bezeichnen. Bei bestimmten Einstellungen ist nicht nur der Schattenwurf seltsam, sondern auch die Objekte, die beim Raytracing getroffen werden. Das Depth of Field ist auch in Ultra Einstellungen nicht vergleichbar mit anderen Triple-A Spielen. Hier spielt das level of detail eine wirklich wichtige Rolle. Besonders dann, wenn man auch noch das Field of View, also das Sichtfeld, erweitert und damit mehr von der Spielekulisse zu Gesicht bekommt. In Full HD wirken darum auch die gewählten Anti-Aliasing Methoden wenig überzeugend. Zudem fehlt es dem Spiel an der Einbindung von DLSS, womit viele Spieler mit älteren Grafikkarten vielleicht das Nachsehen haben könnten.

Insgesamt ist das Spiel technisch auch ein wenig buggy. Man könnte also sagen, dass Saints Row etwas mehr Finetuning hätte vertragen können. Das gilt allem voran für die künstliche Intelligenz. Die ist nämlich schon fast das Nonplusultra der Dummheit. Abgesehen davon dürften Action Fans trotzdem Spaß haben.

FAZIT:
Saint’s Row brauchte zwingend einen Neustart. Doch so ganz will das Spiel damit nicht zünden. Die eigentliche Gameplay Formel ist zwar so spaßig wie eh und je, aber zeigt eben auch schon die länger vorherrschenden spielerische Abnutzungserscheinungen. Für so manchen Fan dürfte jedoch der Wegfall der skurrilen Ideen und anarchistischen Ader ein viel schwerwiegenderes Problem sein. Es fehlt dem Spiel tatsächlich etwas an Substanz. Dafür überzeugt der neueste Streich dagegen durch eine frische Open World, einer bodenständigeren Storyline und vielerlei Anpassungsmöglichkeiten. Das Reboot ist damit mehr ein kleiner (wenn auch schmackhafter) Snack als Überbrückung zum nächsten GTA !

Bildmaterial: ©2022 PLAION GmbH, Austria. | Volition – Saints Row

Vielen herzlichen Dank an Plaion für die freundliche Bereitstellung des Download Codes von
Saints Row (2022) für den PC.