Das Point & Click Genre ist nicht mehr dasselbe wie noch in der Frühzeit der Videospiel-Ära. Mit Larry Laffer kehrte trotzdem erst kürzlich ein “Held” dieser Zeit zurück. Ob der Taugenichts dabei auch auf der Switch mit schweinischen Witzen punkten kann, das erfahrt ihr im Test… 

Mein Name ist Larry, Larry Laffer!

Das Adventure Genre hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Viele alte Marken, die einst im Mainstream hingen, sind inzwischen im Sande verlaufen, Studios wurden geschlossen und frische Entwickler schaffen es scheinbar nicht mehr die breite Spiellandschaft anzusprechen.

Vielleicht ist das Adventure inzwischen auch selbst eine seltene Kunstform, die einfach den Massengeschmack verfehlt. Point & Click Adventure, die zu modernen Klassikern werden sind darum Seltenheit geworden. Die damaligen Spieleklassiker von LucasArts, Revolution Software und Sierra sind dafür bis zum Heutigen Tage voller Lobes in der Spielerlandschaft. Zu diesen Kultklassikern gehörte auch einst Leasure Suit Larry, das die Anfangstage der Point & Click Adventure und zugleich auch viele Spielerjugenden mit prägen durfte.

Doch irgendwann ging auch der strahlende Stern des Larry Laffer unter und seine verkorksten Spielausflüge sanken in die weiten Tiefen des Entwicklersees (oder in die Grabbelkiste des nächsten Discounters). Der Untergang schien besiedelt, als man auch noch Oliver Pocher ins Boot holte und Larry dadurch zum Unsympathen des Jahrhunderts werden ließ. Der alte Weiberheld wurde unrühmlich in Rente geschickt und verblieb dort einige Jahre. Doch halt! Ein Entwicklerstudio will dem hippen Neunmalklug Larry nun noch einmal eine zweite Chance schenken. Und damit wären wir schon direkt bei Wet Dreams don’t dry, der Wiederbelebung einer echten 80er Jahre Videospiel-Ikone…

Geschichten aus der Pop(p)kultur!

Mit pubertärer Einfältigkeit, bodenloser Direktheit und einer Menge derber Sprüche will CrazyBunch den Charme des notgeilen Verlierers ins moderne Zeitalter heben. Das klingt doch nach einem schwierigen Unterfangen, nicht wahr? Dachte ich auch. Doch das Studio schafft es den Dialogen die nötige Spritzigkeit (Hehe) zu geben und den alten Humor auch 2020 noch zu tragen.

Das schlüpfrige Abenteuer zeigt sich hierbei gewohnt klassisch und setzt mit Doppeldeutigkeit, grenzdebiler Figuren und einer wilden Storyline ein Ausrufezeichen. Unser Lieblings-Loser Larry (okay, klingt wie Schwiegertochter gesucht) landet nach einer durchzechten Nacht zufällig im 21. Jahrhundert und lernt hier die Vorzüge und Nachteile des digitalen Zeitalters zu schätzen. Dazu gehören technische Gadgets wie das PiPhone, die beliebten Apps Timber & Instacrap, sowie auch die überwältigende Welt der Influencer. Da trifft es sich, dass zumindest Lefty noch in Reichweite ist und Larry seine Absteige als Reiseziel ansteuern kann.

Von Amnesie geplagt, stolpert der liebenswerte Volldepp in Leftys Bar über den Prototypen eines neuen PiPhone’s des Unternehmens Prune. Fasziniert von dem virtuellen Frauenabbild Pi zieht er los, um das Smartphone zurück zu seinem Erfinder zu bringen. Dort lernt Larry schließlich die Assistentin des Chefs Faith kennen und verliebt sich sofort in die heiße Braut. Doch die knallharte Blondine gibt ihm unversehens einen Korb. Laut ihr sei sie nur an Kerlen interessiert, die bei der Dating App “Timber” einen Mindestscore erreicht haben. Für Larry ist das natürlich kein Hindernis. Sein Ziel steht fest. Dating, Punkte Sammeln und Faith abschleppen.

Also macht sich der durchtriebene Schwerenöter auf, um möglichst viele Frauen zu beglücken und die höchst Punktzahl abzusahnen.  Von einem Klischee ins nächste stolpernd, trefft ihr dann Influencerin, Fitness-Freaks, Gitarrengöttinnen und Nerdinen, die es auf ihre irrwitzige Art zu erobern gilt. Auch sonstige Anspielungen lassen nicht lange auf sich warten. Das Entwicklerstudio nimmt dabei ordentlich die Youtuber & Influencer Bewegung aufs Korn und macht auch vor Tinder, Twitter, Facebook und Co. keinen Halt. Mit gekonnter Satire werden Wörter wie Instacrab erfunden, Unternehmen wie Apple veralbert und die Weltordnung in Frage gestellt. All das wird tatsächlich sehr lustig aufgezogen und sorgt für einige Lacher.

Pi, erzähl mir’n sexistischen Witz!

Das Spiel ist durchzogen von humorvoller Gesellschaftskritik und zahlreichen Referenzen auf Filme, Videospiele und den sozialen Alltag. Das Team schafft es mit Wortwitz und kreativen Ideen die Popkultur zu verarschen und zugleich thematisch voll den Geist der Zeit zu treffen.

Die Figuren, die euch hierbei begegnen sind zwar voller Klischees, aber ausgesprochen lustig geschrieben und zumeist auch vollends sympathisch aufgezogen. Die leicht verstörende Begegnung mit einer Dragqueen im Knast, der skurrile Sex mit einem Comic-Girl und ein Fiebertraum mit sprechenden Alpakas sind dabei wohl die Highlights dieses absurden Hits. Was Leisure Suit Larry dabei auszeichnet, ist, dass man nie wirklich beleidigend wird oder eine Menschengruppe komplett verarscht. Die Figuren sind trotz ihrer überzogenen Darstellung ziemlich liebenswert und bieten zeitweise auch mehr Tiefe, als man ihnen zutrauen würde.

Genau so schafft man ein Comedy-Adventure, bei denen Klischees bedient, aber nie auf böse Art ausgenutzt werden. Nebenbei hält Larry aber auch fernab seiner Redewendungen und Klischees einige amüsante Situationen parat. Das Hauptgebäude von Apple, ähm ich meine PRUNE, sieht nun einmal aus wie ein riesiger P….! Die Balance zwischen “Ach, du sche…” und “Der war echt gut…” gelingt dem Entwicklerteam auf ausgesprochen humoristische Weise.

Das tolle an der Neuauflage ist auch, dass die verblödeten Gags nicht immer nur mit der Holzhammermethode (Ja, schon mal, aber nicht ständig) eingeprügelt werden. Nein, der Humor sorgte bei mir tatsächlich für ordentlich Lacher. Es ist schon einige Zeit her, seit ich das letzte Mal so herzhaft über irgendwelche bescheuerten Dialoge und Konzepte lachen konnte. Die Entwickler verstehen es gut mit humorvollen Doppeldeutigkeiten und flapsigen Sprüchen zu unterhalten. Sicherlich, so manches Mal übertreibt man es doch ziemlich mit dem Fäkalhumor, doch mit ein bisschen Selbstironie holt man sich aus dem Loch wieder heraus. Besonders deshalb, weil sich auch Pi stets zu Wort meldet und von Larry’s einfältiger Art auch mal angewidert ist.

Kombiniere Dildo mit Käse!

Das Rätseldesign ist zumeist ziemlich clever umgesetzt. Naja, zumindest, wenn man auch mal um die Ecke denken kann. Denn die flachen Gags sorgen für das ein oder andere verspielte Rätsel, bei denen die irrwitzigsten Kombinationsmöglichkeiten mit Objekten existieren.

Oder hättet ihr gedacht, dass man mit einer Modelfigur, einer chemikalischen Substanz und einem Push-Up BH eine eigene Sexpuppe anfertigen kann? Ziemlich verrückt, oder? Doch es geht noch besser. Wie wäre es, wenn man mit Gleitgel den Puck eines “Hau-Den-Lukas” Automaten einschmiert, um anschließend mit Leichtigkeit den Volltreffer bei einer Lady zu landen? Noch skurriler dürfte wohl diese Rätselfolge sein: Ein nerdiges Girly will nur mit euch ins Bett, wenn sie bei Disco-Beleuchtung als Einhorn verkleidet sein darf. Also benötigt ihr einen Elchkopf, einen Anspitzer, einen Regenbogenschweif, ein Horn und einen kaputten Spiegel. Das lustige an all diesen verrückten Ideen ist, dass man denen zumeist tatsächlich folgen kann.

Eigentlich bleibt man nur wirklich selten über eine längere Zeit hängen, da das Spiel doch relativ gut lesbar bleibt. Ich hatte sogar das Gefühl, dass dieses Adventure zum Spielende hin leichter wurde. Aber vielleicht war ich bis dahin auch schon so tief im Spielsystem, dass ich genauso blödsinnig gedacht habe. Nichts genaues weiß man. Wenn jedoch ein Point & Click Adventure seine Aufgabenwege und Verbindungen zugleich kreativ, aber lösbar umsetzt, dann hat ein Entwickler wohl alles richtig gemacht. Die Aufgabenbereiche sind dadurch auch ziemlich vielseitig und schicken euch quer durch die Stadt. Mit Larry klickt ihr euch durch die Umgebung und knobelt anhand der Dialoge und Objekte die zahlreichen Aufgaben ab.

Denn jeder Timber-Kontakt will vor der Punktevergabe eine Gegenleistung erhalten. Dazu gehört das Auffinden von weichem Klopapier, die Suche nach einer gestohlenen Gitarre, das Besorgen eines Fotopanoramas, die Vermählung eines Paares, die Erfüllung einer Prophezeiung und das Finden eines alten Spielemoduls der 80s. Auf eurem Lösungsweg findet ihr natürlich allerlei Objekte wie Dildos, Ruten, Gurken, Hörner (Okay, ich bemerke gerade ein Muster). Dadurch füllt sich jedenfalls irgendwann euer Inventar und die Aufgaben lassen sich auf ziemlich unsinnige Art lösen.

Die Umgebungen sind hierbei in verschiedene Stadtbereiche aufgeteilt, die langsam erweitert werden. So reihen sich Vergnügungsviertel, Kneipen, Firmengebäude und Gefängnis ein, die alle durchsucht und bearbeitet werden wollen. Etwas mehr Kulissen hätten dem Spiel aber gut getan, denn nach dem gefühlt hundertsten Ortswechsel hätte man doch auch gerne direkt einen Tapetenwechsel. Zumal es ziemlich nervig sein kann, dass ihr für die Schnellreise nicht innerhalb eines Gebäudes sein dürft. Ihr müsste zwangsläufig auf die Straßen treten und ein Taxi rufen. Das sorgt für ein umständliches Herumreisen zwischen Leveln und kann schon mal an den Nerven zerren. Ich hoffe derartige Konzepte werden beim Nachfolger ausgebessert. Denn abgesehen davon spielt sich Wet Dreams Don’t Dry außerordentlich gut und macht durchweg Spaß.

So stylisch war Larry noch nie!

Auch visuell zeigt man sich sehr einfallsreich. Denn im Laufe des Abenteurers spielt man auch mit der Erwartungshaltung des Spielers und schickt ihn mal kurzerhand in die 8Bit Ära des Ursprungsspiels, um dort den Retro-Look des Donald Trump einzubinden.

Natürlich gepaart mit plumpen Sprüchen und lustiger Ideen. Die Umgebungen sind zudem detailliert, farblich toll ausgearbeitet und bieten einige nette Akzente. Auch die Charakter-Designs sind einmalig gut und bringen den alten 8-Bit Klassiker in ein modernes Gewand, ohne zu viel zu verändern. Das Spiel sieht tatsächlich aus wie eine moderne Neuinterpretation des Originals. Denn auch die Figur des Larry Laffer orientiert sich am Ur-Design. Abgesehen davon hat man auch bei der Portierung saubere Arbeit geleistet und die Switch gut eingebunden.

Die Steuerung geht gut von der Hand (bindet sogar im mobilen Betrieb den Touch-Display ein), die Ladezeiten sind sehr gering und das Abenteuer läuft zumeist ziemlich sauber. Auf Grund des schicken Cartoon-Looks wird das Spiel sicherlich auch noch einige Jahre zeitgemäß sein. Als Bonus enthält die Switch Version den später hinzugefügten Epilog, der aber nicht sonderlich viel zum Basisspiel beiträgt. Die Rätsel/Kombinationen beschränken sich auf einen Bildschirm und an Humor mangelt es hier leider auch. Also mehr ein Zusatz, der wahrscheinlich nur für den Aufbau des zweiten Teil dient. Nett, aber mehr nicht.

Ein paar wenige technische Defizite fallen überdies auch auf. So ist das Inventar gerne mal ziemlich überladen und die Suche nach dem richtigen Item wird erschwert, was vorrangig auch am Controller-Layout liegt. Zudem wäre es nett gewesen, hätte man im Spiel nachlesen können welche Aufgaben schon erledigt wurden und was Larry noch in Angriff nehmen sollte. Lässt man länger vom Spiel ab, dürfte der neuerliche Einstieg darum sehr schwer fallen. Auffällig sind auch vereinzelte Bugs, die das Spiel plagen und teilweise das Vorankommen erschweren.

Schon früh gab es z.B. eine Taxifahrt, die einfach nicht enden wollte und meinen Fortschritt verhindert hat. Woran es lag? Daran, dass ein wichtiges Dialogfenster nicht eingeblendet wurde und dadurch keine Antwortmöglichkeit vorhanden war. Dies habe ich im Bild oben mal markiert. Die Lösung war ein mehrmaliges Neustarten des vorherigen Spielstands, um irgendwann den richtigen Bildschirm zu erhalten. Derartige kleine Problemchen sind mir tatsächlich öfters mal begegnet und mindern den Spielspaß. Auch gab es zeitweise Dialoge, die plötzlich von anderen Personen vertont wurden, wie noch wenige Sekunden zuvor. Eigenartige Bugs sind das. Oder sollen das Features sein?;)

Jedenfalls zeichnet sich bei Larry in so manchen Situationen ab, dass die Spielidee noch ausbaufähig ist. So hätte ich mir z.B. auch eine Hotspot Anzeige gewünscht, um nicht ständig wahllos in der Gegend herum klicken zu müssen. Denn durch die detaillierten Hintergründe fällt es schon mal schwer wichtige Items zu entdecken. Ein paar optionale Hilfsfunktionen wären sicherlich nett gewesen. Dafür überzeugt das Spiel aber durchweg mit seiner ausgezeichneten Synchronisation, die zu jederzeit passen und authentisch eingesprochen klingt. Die Sprecher bringen die Gags und Wortwitze charmant und gewitzt rüber. Besonders die Hauptrollenvergabe an Philipp Moog als Larry Laffer war eine erstklassige Wahl. Mit Sicherheit eines der besten Adventures, was die deutsche Vertonung betrifft. Super Tonstudio, lustige Dialoge und perfekte Sprecher. So sollte eine gut klingende Videospiel Synchro aussehen.

Trotzdem sollte man die Fehler nicht unter den Teppich kehren, mit denen das Spiel seltsamerweise ausgeliefert wird. Denn das wirft doch Fragen darüber auf, weshalb diese bei einem Port noch im Spiel zu finden sind. Bei der Umsetzung von einer Plattform auf die anderen sollten sich doch eigentlich keine Fehlerteufel einschleichen. Aber wie dem auch sei: Wet Dreams Don’t Dry (schöner Reim) ist ein brillantes Adventure! Über die letzten Jahre hinweg hat mich das Genre ehrlicherweise etwas verloren, da mir irgendwie der Mut zum kreativen Witz oder der mysteriös angehauchte Ansatz gefehlt hat. Spiele wie Maniac Mansion, Zak McKracken, Monkey Island oder Gabriel Knight hatte alle ihre einfallsreichen Welten, die auch atmosphärisch sehr speziell waren. Oft auch gepaart mit etwas plumpen Humor oder Gruselszenen.

Vielleicht bin ich da auch etwas kritisch. Sicherlich gibt’s noch ordentlich Adventures, die etwas “Eigenes” schaffen. Die Releases von Daedelic zählen sicherlich zu den besten der letzten Jahre. Doch so interessant z.B. Deponia zuletzt auch war, mich hat’s nicht so wirklich überzeugen können. Da habe ich dann doch lieber weiter zu den älteren LucasArts Spielen gegriffen, statt diese neumodische Interpretation der Point & Click Adventure zu spielen. Abgesehen davon ist der Mainstream ja auch ziemlich in Richtung Interactive Adventure der Marke Telltale Games abgedriftet.

Lange Rede, kurzer Sinn: Mit dem Spiel Wet Dreams Don’t Dry habe ich das wohlige Gefühl der frühen Adventures wiederbekommen. Es macht Spaß, es ist lustig (zwar grenzwertig), es ist kreativ und trifft den Zeitgeist auf eine humoristisch bescheuerte Art. Aber der Titel ist auch altmodisch, verrückt und verspielt. Das gefällt mir und hat mir tatsächlich wieder Lust gemacht alte Adventures hervorzukramen. Natürlich ist das Spiel nicht fehlerlos, kämpft mit einigen Schwächen und wirkt selten poliert. Doch es hat mich bis zum Schluss fesseln können und das hat zuletzt nicht jedes Videospiel von sich behaupten können. Jedoch sei auch angemerkt: Einen Wiederspielwert hat das Spiel eigentlich nicht. Einmal durchspielen und gut ist.


Vielen herzliche Dank an Assemble Entertainment  für die freundliche Bereitstellung des Download Codes von Larry für die Switch:)


Bildmaterial: ©2019 Crazy Bunch / ©Assemble Entertainment