Als Wes Craven 1996 mit Scream einen Überraschungshit landete, wollten zahlreiche Filmstudios ein bisschen was vom Slasher-Kuchen abhaben und sprangen auf den Hypetrain mit auf. Dazu gehörte z.B. auch »I Know What You Did Last Summer«, das auf dem Roman von Lois Duncan basierte. Dieser erzählte die Geschichte einer jungen Gruppe von Freunden, die durch ein grausames Geheimnis unweigerlich miteinander verbunden waren und ein Jahr nach den schrecklichen Ereignis auf Grund dessen von einem Serienkiller gejagt wurden.
Die Amazon Prime Produktion »Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast« versucht sich nun ebenfalls an einer Neuinterpretation der Buchvorlage und will den Originalfilm in die Moderne transportieren. Dafür wechselt das Studio nicht nur die bekannte Küstenregion von North Carolina ins sonnige Hawaii, sondern überrascht auch mit der eigentlichen Geschichte.

Die junge Studentin Lennon Grant kehrt hier nach ihrem ersten Jahr am College ins heimische Wohnzimmer zurück, nachdem eine Tragödie im Vorjahr sie dazu brachte den Heimatort zu verlassen. Inzwischen sind sich dort auch die ehemaligen Freunde nicht mehr so grün und haben sich über das letzte Jahr hinweg auseinandergelebt.
Kaum die eigenen vier Wände betreten muss Lennon schon den ersten grausamen Pfund machen. Mit Blut verschmierten Buchstaben muss sie in ihrem Kleiderschrank die eindringlichen Worte ”Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast” lesen. Schnell scheint sicher zu sein, dass jemand das furchtbare Geheimnis kennt, dass sie und ihre Freunde im vorherigen Sommer zu vertuschen versucht haben. Während sich die Freunde in Alltagsproblemen, Zweifeln und Ängsten verlieren, scheint ein Killer Jagd auf die junge Clique zu machen. Für uns Zuschauer bedeutet das erst einmal die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln in einem ausführlichen Rückblick zu erleben.
Dazu machen wir im Laufe der Episoden öfters mal einen Abstecher ins Leben des einstigen Partygirls und ihrer sozial inkompetenteren Schwester Allison, die ihr aus ihrer Sicht eine echte Klette am Bein ist.

Folgend muss ich nun leider eine kurze Spoiler-Warnung für den Pilot aussprechen, da meine Serienkritik ohne Kenntnisse aus der ersten Episode nicht umzusetzen ist. Wer also bislang den Auftakt verpasst hat, sollte es vor dem Lesen des nächsten Absatzes unbedingt nachholen. Abgesehen davon müsst ihr allerdings keine Story-Spoiler erwarten.
Also bereit für die Slasher Kritik? Auf geht’s – (SPOILER! zu EPISODE 01):
Die Geschichte zeigt sich im Gegensatz zum Kinofilm als ziemlich wandlungsfähig und überrascht schon in der Pilotfolge mit einem plötzlichen Figurentausch. Denn wie sich zeigt ist es nicht Lennon, die uns durch den Slasher führen wird, sondern ihre Schwester Allison, die am Tag des Mordes durch eine Verwechslung die Identität ihrer Zwillingsschwester annimmt.

Die folgenden Ereignisse erleben wir darum aus der Sicht von Allison, die im Leben ihrer Schwester Lennon untertaucht und versucht mit den Schuldgefühlen umzugehen. Für das junge Mädchen sorgt das für ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle. Schließlich muss Allison ihre schüchterne Persönlichkeit ablegen und als aufgewecktes Partygirl Lennon jeden davon überzeugen, welche Schwester noch am Leben ist. Das erfordert Überwindung und bringt sie selbst immer wieder in Schwierigkeiten. Für uns Zuschauer bedeutet das allerdings auch ein ziemlich wirres Story Konstrukt. Viel zu oft muss man zwei Mal überlegen welche der beiden Schwestern wir gerade im Rückblick begegnen.
Ob das letztlich am Drehbuch oder der Darstellung liegt, seit mal dahingestellt. Denn das es anders geht, hat damals schon »The Vampire Diaries« unter Beweis gestellt. Zeitweise musste Hauptdarstellerin Nina Dobrev dort sogar zwei bis drei Rollen zugleich verkörpern und im Wechsel die jeweils andere Person imitieren. Dass man als Zuschauer trotzdem immerzu wusste welche Figur gerade im Bild ist, zeugt von einer guten Teamleistung.

In »Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast« fällt es dagegen zuweilen auch mal etwas schwerer die zwei Schwestern im Rückblick tatsächlich auseinanderzuhalten. Letztlich sorgt dieser Umstand aber immerhin dafür, das es verständlich wird, wieso es überhaupt zur Verwechslung der Zwillinge kommen konnte. Weniger verständlich ist dagegen die Geschichte, die mit einigen Widersprüchen erzählt wird. Die Serie nimmt sich in diesen Szenen auch oft zu ernst, um als klassischer Slasher- Movie durchzugehen. Das spiegelt sich besonders in den vielen dramatischen Szenen wieder, die weniger mit Horror und Thriller, als vielmehr mit klassischen Jugend Crime-Drama zu tun haben.
Die Autoren scheinen sich offenbar auch stark von »Pretty Little Liars« inspiriert zu haben und fördern die Geschichte dauernd durch Textnachrichten im Whatsapp- Chatverlauf. Während PLL das Thema Cybermobbing sehr geschickt ins Gespräch bringt und noch als Guilty Pleasure durchgeht, ist es in »Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast« ein eher schwacher Versuch auf diesem aufzubauen.
In Anbetracht des Erfolgs der Liars- Buchadaption ist es natürlich wenig verwunderlich, dass man dieses Konzept mal wieder aufgreift. Doch letztendlich hat der Sender Freeform ja schon damals alles aus dieser speziellen Idee herausgeholt. Wieso sollte man solche Konzepte also wieder aufwärmen.
Die schauspielerische Leistung des jungen Teams hält sich in einem guten Rahmen. Keiner fällt wirklich zu überzogen aus der Rolle heraus und alle verkörpern ihre Figuren soweit es das Drehbuch hergibt. Hauptdarstellerin Madison Iseman überzeugt z.B. in der sehr transparenten Darstellung ihrer emotional zerrissenen Protagonistin und weiß die Gefühle gut zu vermitteln.

Der innere Konflikt und der starke Konkurrenzdruck den Allison immer noch durch Lennon verspürt, zeigt sie in ihren Szenen ganz gut. Es ist sicherlich keine Award verdächtige Performance, aber zumindest so gut, dass man als Zuschauern zuweilen Sympathien für sie entwickelt. Obwohl das Drehbuch teilweise sehr konstruiert wirkt, bewegen sich die Schauspieler mit ihren Figuren also auf einer glaubhaften Schiene.
Damit schafft man zumindest eine geheimnisvolle Atmosphäre, bei der die wirren Spielchen etwas leichter ignoriert werden können. Auch die Kulisse Hawaii fand ich zur Abwechslung mal ganz interessant. Für den kurzzeitigen Ausflug ins Mystery Crime / Jugenddrama Genre eignet sich Serie ohnehin allemal.
FAZIT:
Serien-Remake mit eklatanten Schwächen in der Geschichte, aber trotzdem spannender Mystery!
Amazon’s »Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast« ist kein Totalausfall. Das ist schon mal gut. Denn die Geschichte ist interessant und auch für Fans des Originals überraschend erzählt. Man nutzt also die Chance für ein Reboot, das sich bewusst vom Kinofilm abhebt. Den vielen Logikfehler, ellenlangen Partyszenen, wirren Erzählstrukturen und überaus aufdringlichen Social Media Gedöns zum Trotz kann man den kurzen Trip nach Hawaii mal ansteuern. Die Serie hat insgesamt deutlich mehr mit Riverdale und Pretty Little Liars gemein, denn mit Scream oder Halloween. Wem das nicht stört, der hat vielleicht ein paar unterhaltsame Stunden.