Regisseur Shinichirou Ushijima lässt mit I Want To Eat Your Pancreas nicht nur einen schwer auszusprechenden Film auf Heimkino-Fans los, sondern will auch Emotionen wecken. Ob euch also mit dem Kinofilm ein unvergessliches Drama erwartet, verrate ich euch im Test…
Handlung
Der Oberschüler Shiga Haruka ist ein ziemlich introvertierter Junge, der sich nicht unbedingt für das soziale Leben seiner Mitmenschen begeistern kann. Stattdessen bleibt er lieber für sich und befasst sich mit seinen Büchern. Eines Tages jedoch liest er zufälligerweise im Krankenhaus das liegen gelassene Kranken-Tagebuch einer Patientin, die sich kurz darauf als Sakura Yamauchi herausstellt: Seine Mitschülerin!
Sie bittet ihn darum niemanden von ihrem Leiden zu erzählen und gemeinsam noch unerledigte Dinge zu verrichten. Trotz vehementer Ablehnung, lässt sich Sakura nicht vergraulen und bindet ihn in ihren Tagesverlauf ein. Für den schüchternen Jungen beginnt so eine aufregende, aber auch schwere Zeit, in der er auch viel über Freundschaft lernt…
Bild & Animation
Hinter der Anime- Adaption des gleichnamigen Web-Romans steckt das Produktionsstudio VOLN, die offenbar noch ziemlich unbekannt sind. Denn selbst Wikipedia besitzt keinerlei Einträge hierzu. Insofern war es interessant, was dieses “junge” Animationsstudio zu Leisten im Stande ist.
Kurz gesagt: Gar nicht mal so wenig! Denn Studio VOLN erschafft umwerfend schöne Hintergrundgrafiken, die detailliert und auch farbenfroh in Szene gesetzt werden. Was die reine Animationsqualität betrifft, so sind sicherlich ein paar wenige Makel zu erkennen. Denn nicht jede Animationsphase wirkt derart sauber verarbeitet, wie in High-Budget Produktionen der großen Studios und so manche CGI- Szene ist auch “nur” zweckmäßig. Dafür gefällt das Charakter-Design, das sich gut in die Backgrounds einfügt. Der ästhetischen Inszenierung ist es auch zu verdanken, das man als Zuschauer über die kleinen Unsauberkeiten bei Animation, Modelle usw. hinwegsieht.
Sound & Musik
Sound- technisch darf sich der Anime als durchaus gut abstempeln lassen. Zu jederzeit sind Stimmen und Musik gut voneinander getrennt, sodass der Ton stets gut hörbar ist. Dazu kommt eine ziemlich kompetente Synchronarbeit des Tonstudios “opus-live, München”, die unter der Dialogregie von Katharina von Daake entstanden ist.
Obwohl ich zugeben muss, dass ich mich erst einmal mit der Stimmfarbe des Hauptcharakters anfreunden musste. Die Sprecherwahl ist anfangs gewöhnungsbedürftig für die Figur, passt aber nach mehrmaligen Hören. Dafür überzeugt aber Katharina Iacobescu mit ihrer spritzigen Art der Darstellung von Sakura in vielen Szenen. Insgesamt hat das Tonstudio saubere Arbeit abgeliefert. Die Synchro schafft nämlich den schwierigen Balance-Akt die emotionale, aber zeitweise auch lockere Stimmung zu transportieren.
Content & Verpackung
Peppermint veröffentlicht den Kinofilm in einem aufklappbaren Digipack mitsamt Pappschuber, der farblich schick ausgearbeitet wurde. Darüberhinaus ist auch das Digipack wirklich schön gestaltet und bietet auch ein tolles Artwork als Inlay-Motiv.
Die Disk passt zudem exakt in die Hintergrundgrafik und schließt mit dem Motiv ab. Hier wurde sich also sichtlich Mühe gegeben. Zuletzt gab es bei Peppermint des öfteren ja nur eine simple Bluray- Amaray mit O-Card. Dieses Mal setzt der Publisher, wie schon früher, auf eine schöne Papphüllen-Gestaltung.
Auf physische Extras müsst ihr allerdings beim Standart-Release verzichten. Digital gibt’s Trailer! Abgesehen davon findet sich noch ein Werbeblättchen für die Manga-Vorlage von Carlson ein. Im Akiba-Pass findet ihr übrigens eine Collector’s Edition für ca.60€ mit Hardcover-Schuber, Booklet (60 Seiten), Soundtrack & Trailer.
Inside Anime
Wenn ein Kinofilm berühren will, muss er ein besonderes Gefühl erzeugen oder zumindest ansatzweise den Figuren einen sympathischen, authentischen Charakter verleihen, der uns Zuschauer zum mitfühlen anregt. Dabei sind es oftmals gar nicht so sehr die Geschichten, die bewegen, sondern die gesamte Aufarbeitung der Erzählung.
Der Animationsfilm I Want to Eat Your Pancrate ist so ein spezieller Fall, der nicht unter “normalen” Wertungen funktioniert. Denn an sich haben wir es hier mit einem eher konventionellen Werk zu tun, das ziemlich klischeehaft ausgearbeitet wurde und sich erzählerisch nicht unbedingt mit Your Name oder A Silent Voice messen kann. Doch abseits dessen weiß der Film trotzdem zu überzeugen und, was noch wichtiger ist, zu berühren.
Das liegt meiner Ansicht nach an der beachtlichen Art-Direction, die dem Film zu Grunde liegt. Das Team schafft es in nahezu jeder Situation eben diese Szenen herauszuarbeiten, die essenziell wichtig für eine Emotion sind. Was nämlich oftmals unterschätzt wird, ist die Tragweite einer emotionalen Szene, die durch ihre Bildsprache transportiert wird. In diesem Sinne ist vor allem Makoto Shinkai als Art-Director zu nennen, der es stets vermag seinem Film einen Stempel aufzudrücken. Doch auch Shinichirō Ushijima scheint ein Händchen hierfür zu haben, wenn man sich I want to eat your pancreas als Beispiel nimmt.
Denn auch hier werden wichtigen Schlüsselszenen eine enorme Wirkungen verpasst. Auf Basis des Romans von Yoru Sumino schafft es der Film fast schon allein durch seine visuelle Art und Musikuntermalung zu funktionieren. So gab es hier tatsächlich einen Moment, der mir nachträglich im Gedächtnis geblieben ist, den ich aber hier nicht spoilern werde. Nur so viel: Der Protagonist des Films, Shiga Haruki soll ein Pflegemittel aus dem Rucksack seiner “Freundin” Sakura holen, erstarrt aber beim Blick in den Rucksack. Weshalb?!
Das möchte der Film an diesem Punkt noch nicht erklären. Erst viel später wird diese Szene rückblickend aufgerollt und eine Erklärung geliefert, die einem als Zuschauer eben so hart trifft, wie den schockierten Hauptcharakter. Das ist ein starker Moment, den der Director hier unglaublich gut einzufangen weiß. Darüberhinaus gibt es auch einen Schlüsselmoment, der enorm wichtig für die weitere Beziehung der beiden Personen ist.
Auch wenn die Verhaltensweise und der plötzliche Gesinnungswechsel hier sehr fragwürdig und nicht wirklich plausibel erscheint, schafft diese Szene es aber die starken Gefühle, die hier zwischen den Figuren auftreten perfekt zu vermitteln. Diese Mischung aus Wut, Selbstzweifel, aber auch Angst sorgen für einen beängstigenden Moment im Film, der mich als Zuschauer ebenso überrascht, wie schockiert hat. Wer den Anime gesehen hat, wird eventuell erahnen welche Situation ich hier anspreche. Abgesehen davon finde ich auch die Charakter-Entwicklung, die hier abläuft, sehr gekonnt eingebunden. Die energiegeladene und beliebte Schülerin und ihr neuer, introvertiert Freund tragen die Handlung durch ihre Wandlung.
Zu Beginn erscheinen die beiden Figuren nämlich ziemlich einseitig und vollends aus dem Buch der Stereotypen entnommen. Doch sie blühen im Laufe der Geschichte auf und zeigen so einige Facetten. Als Haruki so auch Sakura zum ersten Mal begegnet, hält er uns eigentlich allen den Spiegel vor und nimmt die junge Dame selber als klischeehafte Person wahr, mit der er als Einzelgänger ohnehin nichts am Hut haben wird. Dabei merken wir als Zuschauer, genauso wie Haruki innerhalb der Zeit so langsam welche komplexe Person sich hinter Sakura verbirgt.
Eine Figur, die zwar nach außen hin ziemlich positiv und freundlich wirkt, aber innerlich von Angst zerfressen wird. Die Figuren zeigen sich dadurch als deutlich komplexer, als man anfänglich denken würde und ändern beide ihre Sichtweise auf das Leben und die Themen, die sie umgeben. Ein kleines Problemchen des Films ist die Erzählweise, die auch durch die Dialoge ein wenig kitschig wirkt und manchmal ein wenig von der Wirkung der Schlüsselszenen nimmt. Manches wirkt übereilt, während andere Szenen gestreckt wirken. Darüberhinaus wirkt der Film teilweise auch öfters mal leicht ungünstig strukturiert.
Sieht man dann aber auch mal über das melodramatische Storytelling hinweg, das zeitweise ein paar Schwachstellen aufweist, muss man trotzdem zugestehen, dass I Want to Eat Your Pancreas ein ziemlich berührendes Teenager- Drama sein kann, wenn man sich als Zuschauer drauf einlässt. Vielleicht wäre die generelle Geschichte noch ausbaufähig und der Film würde zeitweise auch nicht so zäh wirken, wenn manche unlogische Szene und der langweilige Aufhänger (Mädchen mit Geheimnis trifft Junge und es entwickelt sich eine Liebesbeziehung) nicht vorhanden wäre, doch im Großen und Ganzen hat sich der Film seine Daseinsberechtigung mehr als verdient. Sicherlich wird nicht jeder so umfänglich begeistert sein, doch für einen schönen, kurzweiligen und auch (meist-) emotionalen Anime- Abend eignet sich der Kinofilm zu jederzeit. Kein Meisterwerk, aber ein schöner Abendfüllender Kinofilm!
©Your Pancreas Anime Film Partners
©2019 Peppermint Anime
Vielen herzlichen Dank an Peppermint Anime für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares von “I Want To Eat Your Pancreas” für den Test:)