Die Formel 1 Saison zeigt sich in diesem Jahr als ziemliches Pech und Pleiten Jahr für so manchen Rennstall. Während Mercedes völlig den Anschluss verloren hat und sich mit dem Porpoising herumschlägt, ist der Ferrari Motor eine bunte Wundertüte. Das geänderte Regelwerk hat vielen Fahrern zugesetzt und macht die Rennsaison doch spannender, als zu erwarten war. Die große Frage, die sich wohl jeder F1 Fan stellen wird: Kann auch Codemasters mit Neuerungen ein wenig frischen Wind bringen?

Die neuen Fahrzeuge und ihre Eigenschaften mussten von Codemasters möglichst realitätsgetreu ins Spiel übertragen werden, was zur Folge hat, dass sich die Rennen durchaus fahren lassen. Doch nicht nur an den Rennboliden hat der Entwickler Änderungen vorgenommen, auch weitere Neuerungen finden sich im Simulationsspiel ein.

Das Wichtigste bei einem Rennspiel ist natürlich das Fahrverhalten auf der Strecke und hier zeigt sich F1 2022 als großer Spaßgarant. In Kurven muss man vorsichtig mit dem Gas spielen und auf Übersteuern achten, um nicht frühzeitig im Kies zu landen und beim Herausfahren aus der Box sollte man auch immer auf den Grip der noch kühleren Reifen achten. Für mehr Realismus auf der Strecke sind auch die Curbs verantwortlich, die man möglichst weit umgehen sollte. Besonders in zu hoher Geschwindigkeit stellen sich schnell Schwierigkeiten beim Handling ein, so wie es im wirklichen Rennsport auch sein dürfte.

Schade, dass nicht das Purpoising noch ins Spiel integriert wurde. Es wäre sicherlich interessant gewesen dieses Feeling halbwegs zu übertragen und einem als Spieler mit jedem Wagen anders vor Probleme zu stellen.

Schließlich sollte sich ein Mercedes hierbei deutlich anders verhalten wie der Red Bull. Aber vielleicht hätte man solch ein Feature auch zu überstrapaziert und den Rennspaß aus dem Spiel genommen.

Es ist also in gewissen Maßen verständlich, dass man vorerst auf diese Schwierigkeiten des realen Rennsports verzichtet hat. Schlussendlich ist es bei einem Videospiel immer ein Abmessen zwischen Simulation und Spielspaß. Beides muss sich in einer Balance halten, was in F1 2022 tatsächlich gut gelingt. Für echte Rennspezialisten ist die Lernkurve sicherlich auch extrem hoch.

Als klassischer Mainstream Rennsport Fan ist es zudem lobenswert wie viele Anpassungen sich am Schwierigkeitsregler vornehmen lassen. Selbst mit einem Lenkrad lässt sich vieles manuell noch vereinfachen, damit auch Anfänger ihre Freude mit der virtuellen Fahrerlaubnis haben. Was allerdings auffällt, sind die aggressiven Kontrahenten. Auf der Strecke rutschen sie dir teilweise einfach mal in die Seite und versuchen sich zwischen euch zu drängeln. Das Zweikampfverhalten ist extrem stressig und selten taktisch geprägt. Die KI will einfach Überholen, auf jegliche Kosten. Ich hatte gar ein Rennen, bei dem ich mit Sebastian Vettel kurz vor dem Siegertreppchen stand und von Max Verstappen einfach mal gefühlt 10m vor der Ziellinie in die Streckenabsperrung geschleudert wurde. Das kostet nicht nur das Rennen, sondern auch etliche Nerven nach einem so aufwühlenden Wettkampf.

Das macht die Gran Prix sehr herausfordernd, besonders bei wechselnden Wetterbedingungen. Das Fahrverhalten der Rennfahrer lässt sich also als ziemlich kompromisslos beschreiben. Rennspiel Fans dürften das aber auch aus Konkurrenzprodukten gewöhnt sein. Denn immerhin zeigt sich auch die KI von Gran Turismo 7 und Co. nicht unbedingt als intelligente Streckentaktiker. Wirklich umständlich ist auch die Integration des Safety Cars, das euch manchmal mehrere Runden vor der Nase herumfährt.

Was in der Realität auch mal für spannende Neustarts und damit plötzliche Überholmanöver führen kann, ist im Spiel eher ein Motivationskiller. Eigentlich dackelt man nur langsam hinter der Wagenkolonne hinterher, bis die Strecke wieder freigegeben wurde. So beachtliche Auswirkungen auf den Rennverlauf hat der Einsatz nicht.

Die Fahreigenschaften der jeweiligen Rennautos sind aber auch nicht die einzigen Neuerungen im Spiel. Denn neuerdings finden sich auch die Supercars in der Formel 1 Simulation ein, die mit ihrer Fahrphysik ein anderes Gefühl mitbringen. Der Mehrwert hält sich zwar im Grenzen ist aber mitsamt den Zusatzmissionen, die sich absolvieren lassen, eine nette Abwechslung zum normalen Rennalltag.

Die Herausforderungen erinnern dabei stellenweise an die Fahrprüfungen aus Gran Turismo, bei der es gilt unter bestimmten Bedingungen oder Zeitvorgaben verschiedene Medaillen zu erlangen. Schade nur, dass man nicht noch einen Schritt weitergehen und die Supercars für einen eigenen Gran Prix freischaltet. Das wäre als Ergänzung zur klassischen Formel 1 Saison sicherlich ein netter Bonus gewesen.

Die größte Neuerung in F1 2022 dürfte ein Modus sein, der vielleicht nicht unbedingt viele Freunde finden wird: F1 Life! Diesen kann man sich als virtuellen Schauplatz vorstellen, indem ihr euren eigenen Fahrer erschafft und ein bisschen wie das frühere Playstation Home anmutet.

Für euren Avatar kauft ihr dann verschiedene Outfits, präsentiert eure Erfolge oder richtet eure private Wohnung ein. Das Ganze ist wie ein sozialer Spielplatz aufgebaut, in dem ihr eure super schönen Autos zur Schau stellt.

Dafür hat sich in F1 2022 der Storymodus verabschiedet. Das ist schon schade, da es im letzten Jahr eine durchaus unterhaltsame Geschichte mit dem “Breaking Point” Modus gab. Besonders für Neulinge war der Modus perfekt aufs Austesten der Fahrkünste ausgelegt.

Ob F1 Life die Spieler also als Alternative zufriedenstellen wird? Wahrscheinlich eher nicht. Es ist also nur eine oberflächliche Ergänzung des Spiels. Man hätte hier weitaus mehr Arbeit investieren müssen.

Ansonsten findet sich natürlich noch der Karrieremodus ein, der euch ins Cockpit eines der F1 Teams versetzt und euch langsam auf die Meisterschaft vorbereitet. Dafür bastelt ihr euch mal schnell euren Fahrer und versucht die Erfolgsleiter zu erklimmen.

Ein netter Bonus ist dabei die Möglichkeit das Spiel als Koop- Modus anzugehen, falls ihr mit einem Freund los sausen wollt.

Natürlich dürft ihr auch wieder als einer der offiziellen Fahrer an der Weltmeisterschaft teilnehmen und so z.B. mal wieder Sebastian Vettel im Aston Martin aufs Podium führen.

Das Lizenzpaket, das EA hier schnürt ist ebenfalls wieder vollständig und bringt euch die offiziellen Wagen & Fahrer der Formel 1 und Formel 2 ins Spiel. In der Königsklasse sind dadurch auch aktuellen Fahrer Line-Ups zu finden. Mick Schumacher wird also gemeinsam mit Kevin Magnusson antreten, während Valteri Bottas im Alfa Romeo Platz nimmt und George Russell an der Seite von Lewis Hamillton antritt. Die neuen Formel 1 Wagen sehen optisch auch den aktualisierten Karosserien angepasst. Dazu kommen die neuen Streckenlayouts des Formel 1 Kalenders zu denen auch Abu Dhabi, Australien und Spanien gehören. Auch der neue Stadtkurs des Miami International Autodrome, der erst kürzlich seine Premiere gefeiert hat (Sieger: Max Verstappen), hat sich ins Spiel eingeschlichen und überzeugt mit seiner authentischen Umsetzung.

Da in der echten Formel 1 schon letztes Jahr die Sprintrennen eingeführt wurden, die einen zusätzlichen Renntag im Kalender markieren, lassen sich diese nun auch in F1 2022 finden. Die Sprintrennen kann man sich als verkürzte Version des Hauptrennens vorstellen, bei denen die Rennfahrer oftmals nur ein drittel der Strecke abfahren.

Die Startaufstellung für den offiziellen Hauptrenntag wird also nicht mehr durch das Qualifying festgelegt, sondern durch ein Zusatzrennen in Form des Sprints. Dies geschieht an vier Tagen im Rennkalender und lässt sich verschieden auf die jeweiligen Strecken anwenden.

Wer will kann natürlich auch gänzlich auf Sprint, Quali und Training verzichten und direkt ins Hauptrennen starten. Zudem gibt es die Option jedes Rennen einzeln anzupassen, was die Länge und Ausführung betrifft, was letztlich auch Auswirkungen auf das Spielgesehen hat. Fahrt ihr z.B. nur ein 5-Runden Rennen sind Boxenstops und Co. eigentlich kein Thema. Die vielen Einstellungen bieten also genügend Freiraum für jeden Spielertyp. Ob ihr als Anfänger eher nach einem schnellen Straßenduell mit eingeschalteten Fahrhilfen sucht oder als Profi lieber das komplette Rennprogramm inklusive Qualifying, Speedrennen und 50-Runden Grand Prix bevorzugt, ist völlig euch überlassen.

Mit dem Xbox Controller lässt es sich am PC gut fahren, auch wenn die Schultertasten sehr sensibel agieren. Doch die besten Ergebnisse und das authentischste Gefühl erlebt man natürlich mit Hilfe eines Racing Wheels.

Dass beides sehr gut funktioniert ist eine der großen Stärken des Lizenzspiels. Was ich allerdings weiterhin als recht kompliziert betrachte sind die vielen Kommunikationsoptionen, die per Knopfdruck aktiviert werden.

Im laufenden Spiel ist es teils wirklich schwierig das richtige Kommando (z.B. Boxenstop oder Reifeninfo) auszuwählen, während man gerade versucht die Ideallinie zu fahren. Zuweilen klickt man auch mal versehentlich daneben und bekommt dadurch einen Funkspruch, den man gar nicht erhalten wollte. Das Interface ist grundsätzlich unverändert geblieben. Das Spiel habe ich auf einer Nvidia RTX 3080 getestet, die derzeit zu den High End Modellen des Grafikkarten Marktes gehören. Es war für mich also spannend zu erfahren wie sich F1 2022 in Sachen Technik schlägt und welche grafischen Spielereien einen Nutzen bringen oder nur an der Performance zerren. Schon letztes Jahr hat sich Codemasters an neuen Grafik-Technologien versucht und Raytracing in die Simulation eingeführt. Damit werden Lichtkegeln und Lichteinstrahlungen realistisch berechnet und von Objektion wirklichkeitsgetreu reflektiert.

Für das neuste Spiel setzt man noch einen oben drauf und erweitert die Windows Version um weitere Einstellungsregler. So lässt sich neuerdings auch Transparente Reflektionen hinzu schalten, was für noch authentischere Lichtspielereien sorgen soll.

Denn mit dieser Option werden auch transparente Objekte wie Folien oder Glas lichtdurchlässig und können so auch realitätsnah vom Sonnen- oder Lampenlicht empfangen und verarbeitet werden.

Dazu gehören z.B. auch die Cockpits der Fahrer oder die lackierten Karosserien, in denen sich nun Objekte wie Werbeschilder, Aufkleber oder Streckenabsperrungen spiegeln. Es wäre gelogen würde ich sagen die Inszenierung hätte mich nicht beeindruckt.

Doch die vielen Einstellungsoptionen bieten auch Konfliktpotenzial für eure Grafikkarte. Alle Grafikeinstellungen auf Ultra- Settings in 4K-UHD Auflösung (4.096 x 2.160) lässt auch die RTX 3080 gewaltig an seine Grenzen kommen. Die Bildrate ließ sich zwar meist im 30er Bereich halten, doch für ein Racing Game ist die Framerate natürlich untauglich.

Hier muss man allerdings auch wieder Nvidia’s DLSS Verfahren (Deep Learning Super Sampling) loben. Dank der Rendering Technologie lässt sich auch mit eingeschalteten Raytracing noch die doppelte Bildmenge erreichen.

Sofern ihr DLSS auf maximale Performance schaltet sind 60+ FPS zu jederzeit möglich, trotz der vielen Grafikoptionen und hoher Auflösung. Das transparenten Raytracing ist schon ein kleiner Mehrgewinn, der das Grafikniveau noch etwas anhebt.

Trotzdem bleibt der Performance Hunger einfach so enorm, dass die meisten Spieler wahrscheinlich lieber drauf verzichten werden. Wenn man ehrlich ist, fällt es mitten im Renngeschehen ohnehin kaum auf, wenn bestimmte Grafikoptionen deaktiviert werden. Als Spieler sollte man stets die Bildrate priorisieren, um Spaß an der Formel 1 Action zu haben.

In Wiederholungen sieht die Sache natürlich anders aus. Dort könnt ihr gerne die Optionen komplett nach oben ballern, da ihr hierbei sowieso nicht aktiv schalten müsst.

InGame sieht das Spiel mit allen den Variablen wirklich gut aus. Es ist zwar optisch kein Generationssprung, aber man nährt sich so langsam den technischen Möglichkeiten an. Bis man aber völlig auf Next Gen umschaltet und grafisch mit Forza konkurrieren kann, muss wohl erst einmal eine neue Engine her. Regenrennen sehen z.B. bei Gran Turismo 7 deutlich besser aus.

Trotz allem hat Codemasters ein grafisch sehr schickes Videospiel abgeliefert, das auch durch die vielen kleinen Details am Streckenrand und Lichtberechnungen bei den Automobilen besticht.

Die Umgebungen können sich sehen lassen und auch das Layout der Strecken wurde gut den Originalen angepasst. Leider halten bei all der Grafikpracht die Charaktermodelle nicht ganz mit. Die feiernden Rennfahrer wirken schon ziemlich hüftsteif in ihren Animationen und bewegen sich extrem unnatürlich. Auch die Gesichtsanimationen könnten mal etwas überarbeitet werden.

Sobald die drei Erstplatzierten auf dem Podium ihre Sektkorken knallen lassen, sieht das schon sehr stümperhaft aus. Hier sollte man ruhig mal die nächsten Jahre nachbessern. Wenn man bedenkt wie hoch die Anforderungen an eine Bildrate um die 60 Bilder sind, sollte man zudem auch wirklich abwägen welche Einstellungen man aktiviert lässt und welches die beste Balance in Sachen Auflösung ist. Ältere Grafikkarten könnten tatsächlich schnell mal ins Schwitzen kommen.

Etwas positives gibt es übrigens in Sachen Sprachausgabe zu berichten. Seit neustem hat man sich Sasha Roos von Sky geangelt, der jetzt wie in der realen TV Übertragung die Vorberichte zum Rennen liefert. Hier auch mal ein Lob in seine Richtung.

Als Zuschauer ist er beim TV Sender im Rennsport wirklich eine Bereicherung in der Kommentarfunktion und bringt dies auch ziemlich gut im Spiel rüber. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger klingen die Sprachsamples im Spiel deutlich authentischer eingesprochen. Jetzt fehlt doch eigentlich nur noch Ralf Schuhmacher als Co-Kommentator.

Oh, und ich würde mir die Option wünschen, dass Herr Roos auch während der Rennen seinen Senf dazu geben darf. Denn bislang blieb die F1- Spielereihe auf der Strecke immer komplett ruhig. Dort lassen sich nur die klassischen Motorengeräusche und Funksprüche vernehmen. Es soll natürlich der Authentizität gelten, dass man aus der Sicht der Fahrer eben keinen TV Kommentar hören kann, aber es wäre für das Videospiel an sich nunmal eine nette Zusatzoption.

Schließlich lässt sich auch bei FIFA optional ein Kommentar als “Live”-Sample zuschalten. Auf dem PC dürft ihr übrigens auch noch einen VR-Modus hinzu schalten, den ich allerdings aus Mangel an einer VR-Brille nicht testen konnte.

Die Rennen selbst bieten zudem auch Support für etliche Lenkräder. Mir ist es z.B. auch gelungen das alte “T80 Ferrari 488 GTB” der PS4 einzubinden. Allerdings nur über einen kleinen Umweg.

Denn kurioserweise lässt sich das Spiel mit dem Originaltreiber des T80 einfach nicht starten. Stattdessen müsst ihr obendrein noch den Treiber des Thrustmaster T300 herunterladen. Erst wenn dieser ebenfalls auf eurer Festplatte installiert ist, wird das Lenkrad korrekt erkannt und kann im Spiel konfiguriert werden.

Ziemlich eigenartig, aber nun gut. Zumindest lässt es sich auf diese Art starten. Im Endeffekt ist F1 2022 damit ein doch gutes Rennspiel geworden, mit dem man als Fan des Motorsports seinen Spaß haben kann. Es fehlt nur die echte Revolution.

FAZIT:
Mit »F1 2022« macht Codemasters dort weiter, wo auch Red Bull in der letzten Saison aufgehört hat. Man fährt schnurstracks und ohne auf die Konkurrenz zu achten auf die Ziellinie zu. Das Spiel überzeugt darum mit den spielerischen und technischen Pluspunkten der Vorjahre. Aber es ist herrscht in vielerlei Hinsicht eben auch Stillstand. Die Simulation ist keine wirkliche Weiterentwicklung zur Vorsaison und tritt technisch so auf der Strecke, wie es derzeit Mercedes tut. Man feiert zwar Erfolge, aber verliert eben auch so langsam den Abstand zur Konkurrenz. Trotzdem werden Fans weiter am “Rennstall” Codemasters festhalten und ihren Spaß haben!

Bildmaterial: ©2022 Electronic Arts Inc. | Codemasters – F1 2022

Vielen herzlichen Dank an EA Sports / Codemasters für die freundliche Bereitstellung des Download Codes von
F1 2022 für den Windows PC:)