Von klassischen Pen & Paper Spielen inspiriert, traut sich Entwickler Cyanide Studios an den Cthulhu Mythos. Wie sich das offizielle Videospiel zu H.P. Lovecraft’s Fantasien schlägt, verrate ich im Test… 

Der Wahnsinn steckt im Spiel!

Mit Call of Cthulhu entführt uns die Cyanide Studios in die mysteriöse Welt des H.P. Lovecraft. Basierend auf einer Kurzgeschichte von Lovecraft und aufbauend auf dem Pen- & Paper Spiel, soll euch der Titel in ein gruseliges Abenteuer zerren. Die abscheulich düsteren Welten des Mythos nagen am Verstand des Protagonisten und erzählen selbst eine spannende Geschichte.

Im Jahre 1924 seid ihr als Edward Pierce unterwegs, der den ominösen Mord an einer Künstlerin aufklären soll und hierzu eine Reise auf die Insel Blackwater Island antritt. Eines Tages taucht nämlich ein Fremder in seinem Büro auf und bittet ihn darum die mysteriösen Ereignisse um Sarah Hawkins zu untersuchen. Diese sei in einem Feuer umgekommen und habe so einige Geheimnisse hinterlassen.

Der psychisch angeschlagene Detektiv willigt ein, um sich von seinen verrückten Träumen ablenken zu können. Doch sein Besuch auf der Insel wird selbst zu einem Albtraum. Mit jedem Schritt versinkt er weiter in einem Strudel aus Verschwörungen, religiösen Fanatismus und überzogenen Psychospielchen. Doch was ist echt? Und was spielt sich wohlmöglich in seinem Kopf ab? Und wie ist überhaupt das Feuer im Hawkins Anwesen entstanden? Jede menge Fragen, die es für Edward zu klären gilt.

An die Arbeit, Sherlock!

Auf Blackwater Island angekommen, nehmt ihr die Ermittlungen auf und sprecht mit den örtlichen Bewohnern. Langsam bringt ihr Licht ins Dunkeln und erfahrt über Dialoge, was sich gerade im Ort abspielt. Auch kleine Background- Infos fließen in eure Recherche ein, wenn ihr die Umgebungen genauestens untersucht.

Mit jedem Dialog, untersuchten Objekt und kombinierten Rätsel, kommt ihr dem Geheimnis auf die Spur und versucht das Mysterium hinter der Insel zu entlocken. Die Entwickler setzen hierbei auf eine Semi- Open World, die eher mit linearen Levels gefüllt ist. Euch erwartet also kein riesiges Areal, wie z.B. in The Evil Within, sondern in sich abgeschlossene Areale, die etwas weitläufiger ausfallen. Jedoch stets mit Ladezeiten überbrückt werden müssen, die nicht zu knapp ausfallen. Mir persönlich gefällt dieser Semi- Open World Ansatz aber deutlich besser, als bei vergleichbaren Spielen. Nicht jedes Videospiel muss heutzutage mit einer riesigen Open World ausgestattet werden. Eine lineare Erzählung kann dem Erlebnis eines Horrorspiels durchaus besser entgegenkommen.

Nachdem ihr euch schließlich im Anfangsareal durch die Docks bewegt und reichlich Informationen gesammelt habt, gilt es einen Weg ins Lagerhaus der Familie Hawkins zu finden, um dem mysteriösen Fall näher auf den Grund zu gehen. Als Detektiv erlebt ihr den knallharten Job eines Ermittlers und versucht mit den richtigen Dialogwahlen, ein paar gesammelten Objekten und eurem Denkapparat die passende Kombination für die Lösungswege zu finden. In dieser Hinsicht fühlt sich Call of Cthulhu wie ein traditionelles Adventure an, bei dem es gilt verschiedene Mini- Rätsel zu lösen. Dabei solltet ihr stets eure Umgebung im Blick haben, um Informationen einzufangen. Im Laufe eures Abenteuers gibt euch das Spiel auch die Möglichkeit frühere Ereignisse durch Zeitmanipulation nachzubilden.

Das erinnert teilweise ein wenig an die Gameplay Mechaniken von Remember Me und Murdered: Soul Suspect, die ähnlich funktionierten. Nur manipuliert ihr hier nicht die Umgebung zum Lösen einer Aufgabe, sondern erforscht so den mysteriösen Fall. Im H.P. Lovecraft Kosmus dürft ihr euch aber auch auf zahlreiche Psychospielchen freuen, bei denen euch seltsame Wesen oder verrückte Menschen jagen. Neben der klassischen Detektivarbeit, ist also auch das Verstecken vor euren Widersachern ein integraler Bestandteil des Spielsystems. Spielerisch lehnt sich Call of Cthulhu in diesen Szenen an das Konzept von Outlast an, was aber durchaus gut funktioniert. Tiefgreifende Stealth- Elemente solltet ihr zwar nicht erwarten, aber für die Abwechslung sind diese Abschnitte sehr gut.

Klassischer Horror trifft Rollenspiel!

Darüberhinaus bauen die Entwickler auch noch einen kleinen Kniff ins Videospiel ein. Euch erwartet ein ausgefeiltes Rollenspiel- System, bei dem euch verschiedene Talentpunkte zur Verfügung stehen, die es in mehrere Bereiche einzuteilen gilt. Mit jeder erfüllten Aufgabe erhaltet ihr daher Punkte, die ihr in einem Fertigkeiten- Baum einsetzt, um so eure Fähigkeiten in den Kategorien Redegewandtheit, Entdeckung, Psychologie, Ermittlung, Okkultismus und Medizinkunde zu verbessern. Jede verbesserte Fähigkeit erhöht hierbei euer Können der Lösung des Falls in einer beliebigen Form näher zu kommen.

Speziell beim Dialogsystem kommt diese Mechanik zum Tragen, die ein wenig an die Fallout- Reihe erinnert. Denn genau wie dort, müsst ihr bei den Gesprächen die richtige Wortwahl finden, um leichter voranzukommen. Dies geschieht mit Hilfe der Redegewandtheit, die ihr also zwangsweise aufleveln solltet. Dasselbe gilt auch für die Fähigkeit Entdeckung die euch das Finden von Beweisen und Objekten erleichtert und Stärke, die für das Öffnen von versperrten Türen benötigt wird. Zumindest in der Theorie. So wirklich auffällig war ein niedriger Rang in einigen Kategorien nicht unbedingt! – mal abgesehen von den Dialogen, bei denen ich mich doch des öfters durch weniger Fähigkeitspunkte verrannt habe.

Es ist sicherlich nicht das tiefgreifendste Rollenspiel- System, aber für die Motivation ist die Integrierung dieser Elemente definitiv zuträglich. In vielerlei Hinsicht kopiert der Titel auch traditionelle Survival Horror- Mechaniken, wie man sie aus Resident Evil und Silent Hill kennt, bei denen es gilt in schaurigen Umgebungen Hinweise und Gegenstände für das Lösen eines Puzzles zu finden. Die Sammelwut, die euch mit Fortschreiten der Geschichte erwartet, kann aber teilweise schon auf die Nerven gehen. Wenn man Stundenlang durch eine Irrenanstalt läuft, um verschiedene Schalter umzulegen, fällt das Spiel qualitativ schon etwas ab. Dafür überzeugt das Spiel in diesen Momenten aber immerhin mit seiner dreckigen und vor Geheimnissen umworbenen Kulisse.

Immer mal wieder betrachtet ihr die unheimlichen Areale und taucht so tiefer in den Mythos ab. Die dichte Atmosphäre, in die Blackwater Island gehüllt wird, ist ein großer Pluspunkt des Spiels. Die Entwickler vermögen es auf geschickte Weise eine furcht erregende Welt aufzubauen, die ein Reich voller okkulter Phänomene, religiöser Rituale, surrealer Träume und Wahnsinn geprägt ist. Mit Fortschreiten der Handlung verfällt daher auch unser Held Edward Pierce so langsam diesen grauen verheißenden Albtraum und die Szenen kratzen an seiner psychischen Verfassung. Anhand eines Panik-Meters, das auch beim Verstecken in engen Schränken auftaucht, solltet ihr also stets seine Psyche im Blick haben.

Schauriger Grusel im Detail!

Call of Cthulhu hat auch einen Blick für historische Dinge. An jeder Ecke findet ihr Details über Relikte der Vergangenheit. Dazu zählen Bücher, Karten oder auch Kunstwerke, wodurch sich schnell ein Gefühl für das schaurige Jahr 1924 einstellt. So wird man auch unweigerlich in den Mythos gezogen und es macht sehr bald “Klick”.

Denn das Spiel ist nicht von Beginn an das spannendste Abenteuer aller Zeiten. Dafür ist das Storytelling zu träge und die Geschichte wirkt zu gestreckt. Die Pacing- Probleme ziehen sich aber auch teilweise durch das gesamte Videospiel, was nicht unbedingt positiv ist. Auch das ewig lange Absuchen der Umgebung, die endlosen Dialoge, die einem kaum Informationen liefern und die weit verstreuten Objekte, sind der Erzählung nicht zuträglich. Aber man wird trotzdem stets durch interessante Momente wieder hinter dem Ofen hervorgelockt.

Hat man nämlich einige langweilige Kapitel absolviert und landet in den düsteren, psychedelischen Szenarien, kommt man von Blackwater Island nicht so leicht weg. Dafür sorgen die schaurigen Umgebungen, die Paintings, das simple Adventure Gameplay und die durchaus clevere Mystery Handlung, die immer mal wieder mit spannenden Ideen punktet. Was die reine Visualisierung des Spiels angeht, so treten aber leider doch einige Defizite auf.

Call of Cthulhu hat leider sehr niedrig aufgelöste und nachladende Texturen, veraltete Charaktermodelle, asynchrone Lippenbewegungen in den Dialogen und abgeharkte Animationsphasen. Zwar ist die Kulisse durchaus stimmig, aber die grafischen Qualitäten wirken eher aus der PS3/Xbox 360 Zeit bzw. anfänglichen HD-Remakes für die jetzige Generation. Zumal auch die Ladezeiten beim Betreten eines neuen Levels viel zu lang ausfallen, was auf die Dauer Nerven kann.

Was aber eben positiv ist, sind die Design- Qualitäten des Videospiels, die den H.P. Lovecraft Mythos auf schaurig schöne Weise einfangen. Alles wirkt stimmig und atmosphärisch dicht inszeniert. Das liegt auch an den Grafik-Filtern, die zeitweise zum Einsatz kommen. So fühlt man sich auch schnell an Klassiker wie Alone in the Dark oder Silent Hill erinnert. Die unansehnlichen Figuren und die niedrige Texturqualität werden dadurch schnell vergessen. Was mich allerdings ungemein gestört hat, war der Input- Lag beim Scrollen durch das Menü. Das Durchschalten mit den Triggern war stets mit einer spürbaren Verzögerung versehen.

Mir hat das Horror- Abenteuer aber – trotz der mittelprächtigen Technik und einiger nervlichen Such-Momente – viel Spaß gemacht. Zumal auch ein paar nette kleine gruselige Momente eingebaut wurden, bei denen mal kurzerhand das Herz einen höheren Takt einlegt. Wer aktuell ein überwiegend gutes Horrorspiel sucht, mit dem er ein paar gruslige Runden verbringen kann, der kann dem H.P. Lovecraft Abenteuer gerne mal seine Aufmerksamkeit widmen. Auf Innovationen und ein Technikwunderwerk solltet ihr aber nicht hoffen.


Vielen herzliche Dank an Fokus Home Entertainment / KochMedia für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares von Call of Cthulhu für die Xbox One:)


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