Der Realfilm Trend

Was früher eher Seltenheitswert hatte, ist aktuell schon fast zur Gewohnheit geworden. Beliebte Animes erhalten Filmadaption, die dann auch den Weg zu uns finden. Im Volksmund als Live- Action Movie bezeichnet, bieten diese doch oft einen sehr eigenständigen Ansatz wie die Anime Geschichte transportiert werden soll.

Manchmal werden sie sogar gänzlich umgeschrieben und rücken Charaktere in ein anderes Licht, als noch in der Vorlage. Letzteres ist auch bei Attack on Titan II der Fall. Geschichtlich orientiert man sich am Anime Material, leitet hiervon aber eine recht eigene Interpretation ab. Inzwischen hat sich Held Eren selbst in einen Titanen verwandelt und wird mit der Frage konfrontiert, ob er mehr Mensch oder Titan ist.

Die versammelten Jäger und Offiziere halten ihn für eine potenzielle Bedrohung, die es zu vernichten gilt. Doch sein bester Freund Armin will die Lage nicht wahrhaben und hält Eren für die letzte Hoffnung der Menschheit im Kampf gegen die riesigen Ungetüme. In seiner Titanenform könnte er doch sicherlich das Loch in der Mauer reparieren, das die angreifenden Titanen hinterlassen haben. So der Gedanke von Armin und einigen Mitstreitern. Doch der große Showdown steht natürlich noch aus.

Original vs Neuinterpretation

Die Realverfilmung mit dem Untertitel “End of the World” setzt also dort an, wo Eren zum Titanen mutiert ist und sticht dabei erzählerisch ein wenig heraus. Von diesem Moment an werden nämlich relevante Szenen abgewandelt und dabei auch Personen anders beleuchtet, als es noch im Original der Fall war. Für Fans der Manga und Anime Vorlage bleibt das Grundgerüst der Geschichte zwar grundlegend gleich, doch die Erzählung ist eine gänzlich andere.

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere unter euch noch an die besagte Szene, in der Erin vor einer Art “Kriegsgericht” gestellt und ihm vorgeworfen wurde sich den Titanen zugehörig zu fühlen. In diesen Momenten schlugen sich Mikasa und Armin im Anime auf seine Seite, was letztlich in einer actionreichen Szene endete, in der sich Erin wieder in einen Titan verwandelte. Diese, so wichtige Szene, wird vom Filmstudio auf andere Weise interpretiert, wodurch der Film eine gravierende Kehrtwende hinlegt und das Ausgangsmaterial genommen wird, um völlig frei realisiert zu werden. Von diesem Punkt an, wird im Film schließlich eine andere Richtung eingeschlagen, in der die Vorlage berücksichtigt, aber nicht komplett gefolgt wird. Zumindest kann ich es soweit beurteilen, wie ich das Ausgangsmaterial des Animes kenne.

Der weitere Verlauf ist natürlich unklar, da der Manga noch nicht abgeschlossen in Deutschland vorliegt. Attack on Titan: End of the World steht somit auf eigenen Füßen, kann aber die großen Schuhe der Vorlage nicht wirklich füllen. Zu Amateurhaft wirken einige Szenen adaptiert und zu langwierig werden Spannungsbögen aufgezogen. Der Verständnis kommt es auch nicht sehr zu gute, dass der Film mit einigen Rückblenden arbeitet, die zuvor nicht aufgebaut werden. Versteht mich nicht falsch – Der Film ist sicherlich kein Totalausfall und dürfte Action Fans mit Hang zu Splatter durchaus unterhalten. Das Quellmaterial hätte aber deutlich mehr hergegeben, als letztendlich herausgeholt wurde.

Filmische Qualität

End of the World besitzt viele Elemente, die seiner Natur als Anime respektvoll begegnen. So wissen die Kostüme und das Design der Welt zu überzeugen und die Vorlage gekonnt in einen Realfilm zu adaptieren. Auch die verteilten Rollen waren optisch sehr gut gewählt und lassen erahnen welcher Charakter sich hinter dem Schauspieler verbergen soll. Leider fallen in diesem Momenten dann auch gerne mal die schauspielerischen Qualitäten an sich ziemlich ab.

Die monotone Art der Dialoge und das teilweise starke Overacting sorgen für mehr B-Movie Gefühle, denn Hollywood reife Sommer-Blockbuster. Attack on Titan wäre wohl auch das Aushängeschild der CGI- Movies, würden einige Szenen nicht so aus deutlich dem Raster fallen. Dennoch kann man dem Film eine gewisse Imposanz einfach nicht absprechen, was eben vor allem an den blutigen Titanenkämpfen liegt, die knallhart und durchaus cool inszeniert werden.

Die audiovisuelle Präsentation ist grundlegend sehr treffend und transportiert die Anime Vorlage in ein (meist) ansehnliches Live- Action Theater. Weniger gelungen ist der Music- Score, der im Vergleich zum Anime wirklich merkwürdige Töne anschlägt und nicht immer zur Szene passt. Wenn Eren nach seiner Entführung durch den Titanen erwacht und im Hintergrund ein leicht fröhlicher Song mit 50/60s Sound läuft, kann man ein Lächeln nicht verkneifen.

Deutsche Bearbeitung

Die deutsche Tonspur lässt sich als qualitativ hochwertig beschreiben. Kaze hat sich redlich Mühe gegeben für den Film einige markante Synchronsprecher an Bord zu holen und sich dabei auch ein wenig an ihrem Anime Release zu orientieren. Statt Max Felder in der Rolle des Eren, hat man sich in der Realverfilmung die Dienste von David Turba gesichert, der einen sehr guten Job abliefert und seinem Anime Counterpart in Nichts nachsteht.

Auch Armin wurde ausgetauscht und wird in End of the World nicht mehr von Christian Zeiger gesprochen, sondern von Sebastian Fitzer, der aber genauso viel Elan an den Tag legt. Als Mikasa Ackermann kehrt dafür aber wieder Nicole Hannak zurück, die ihr auch schon im Anime ihre Stimme geliehen hat. In weiteren Rollen sind auch wieder Josephine Schmidt und Tim Moeseritz zu hören, die auch schon in der Anime-Serie mitgesprochen haben.

Das Tonstudio VSI Synchron GmbH aus Berlin hat es aber teilweise versäumt die Lippensynchronität zu gewährleisten, was weniger schön ist. Aber wahrscheinlich ist es auch nicht unbedingt leicht die japanische Sprache von den Mundbewegungen her gleichwertig ins Deutsche zu transportieren, ohne zu stark an Dialogen oder ähnlich zu werkeln. Insgesamt kann man die Bearbeitung aber als durchweg positiv bezeichnen.

Fazit

Attack on Titan: End of the World fasst das Franchise auf kurzweilige Art zusammen und erzählt eine Origin Story, die nur lose mit dem Anime Verlauf zu tun hat. Das mag einigen Fans sicherlich ziemlich blöd vorkommen, doch vorzeitig abschalten solltet ihr nicht. Obwohl ich den Anime bevorzuge und deutliche Makel am Film erkannt habe, fühlte ich mich nämlich nie genervt oder hatte das Verlangen die Bluray beiseite zu legen. Der Film ist also, trotz der vielen vernichtenden Kritiken, nicht per se schlecht. Für Fans des japanischen Kinos bietet sich hier ein cooler Genre Mix aus Sci-Fi, Action, Horror und einer Priese Drama. Es ist nur eben so, dass man beim Namen Attack on Titan derart immense Erwartungen hat, dass diese Live Action Adaption dem nicht gerecht werden kann. Ich schätze deshalb, dass Zuschauer, denen die Vorlage unbekannt ist, mehr Spaß am Kinofilm haben werden, als beinharte Fans des Animes.


Vielen herzlichen Dank an Kaze Anime für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares von Attack on Titan II: End of the World als Bluray:)